1.
In so vielen Herzen
hallen die Schmerzen
des blutigen Krieges
bis heute noch wieder…
* * *
Wieviel Träume ein jeder wohl träumt
in der Jugend! Zu allen Zeiten.
Das Leben – es braust und es schäumt,
und hoffnungsvoll blauen die Weiten.
Auch Wolodja Werner,
keine siebzehn mal alt,
blickte froh in die Ferne,
wo so manche Gestalt
entgegen ihm lachte
und glücklich ihn machte…
Doch ballten sich düstere Wolken
am Himmel da drohend zusammen.
Und die Träume, die reifen noch sollten,
gingen hoffnungslos auf dann in Flammen…
* * *
Und im Juli einundvierzig,
als die faschistische Bestie
sich menschenblutdürstig,
rings Unheil schon stiftend
und menschheitsgefährdend
auf das Heimatland stürzte,
meldete gleich sich Wolodja –
wie Tausende andere
blutjunge Junge –
freiwillig zum Militärdienst…
* * *
Der Nahangriff will nicht gelingen…
„Kommandeur“, sagt nun leise Wladimir,
„ich nütze die Mulde dort links…
Wie denn anders? Ich werde es wagen!“
Und er gleitet hinab in den Graben,
das Maschinengewehr auf der Schulter…
Auf dem Bauch geht es vorwärts nun flink…
Noch hundert… und noch hundert Schritte…
Dann fällt er dem Feind in den Rücken:
Mit seinem MG überrumpelt
er kühn die faschistischen Lumpen.
Jetzt kommen Wolodjas Soldaten
und mähen die letzten noch nieder…
Und vorwärts nach Westen geht’s wieder!
* * *
Auch im Krieg zieht die Zeit ihre Runden,
wie im Fluge enteilen die Stunden:
Silvester des Jahrs zweiundvierzig.
Dichte Schneeflocken wirbeln zur Erde…
Da lässt der Regimentskommandeur
Wolodja am Nachmittag kommen…
Na ja, ein Gefangener müsste
zum Neujahrsfest eingebracht werden.
Erwünscht wäre ein Offizier…
„Zu Befehl! Rund um zwölf ist er hier!“
Silvesterweißfarben getarnt,
geht Wladimir mit noch fünf Soldaten
den Deutschen das Neujahr anschießen…
Der Abend ist spannungsgeladen.
Die bläulichen Schatten zerfließen.
Und jedweder Laut die Kundschafter warnt,
und jedes Geräusch mit der Faust ihnen droht…
Der feindliche Posten ist endlich erreicht:
Ein MG-Stand. Verlassen. Wie tot.
Sie schleudern hinein – paar Granaten.
Das MG-Nest für immer jetzt schweigt.
Ein Dutzend Faschisten sich zeigt.
Wladimir mit Strenge da schreit
„Halt! Wer da?!“ in akzentfreiem Deutsch.
Die Faschisten stehen in Unschlüssigkeit…
Da knattern schon los die MPis
(Wolodja zu seinen Kameraden:
„Dass keiner den Offizier mir erschießt!“).
Nieder sacken ein paar vom Gelichter,
die anderen fluchen und flüchten…
Und den deutschen Offizier
Leutnant Wernow bugsiert
stracks ins Regiment
als Neujahrsgeschenk…
Werny statt Werner ward oft er genannt
von frühester Kindheit wohl her noch.
Im Regiment war Wolodja bekannt
als Werner und Werny und Wernow…
* * *
Dreiundvierzig, im Sommer,
wird die feindliche Brjansk-Bolchower
Kräftegruppe in die Zange genommen
und aufs Haupt nun geschlagen…
Der Sturm der MG-Kompanie
gerät da auf einmal ins Stocken.
Und Wladimir fällt unerschrocken
mit dem Zug nun dem rasenden Feind
in die offene linke Flanke.
Und die Reihen des Gegners
beginnen gleich feige zu wanken…
Der Kompaniechef, da heißt’s,
sei soeben gefallen…
Und Wernow übernimmt das Kommando…
In erbittertem Streit
wird die Siedlung befreit!..
* * *
Es ist endlich der Anmarschweg
bis zum Dnepr zurückgelegt.
Die MG-Kompanie muss als Vortrupp
den Übergang schnellstens erzwingen…
Leutnant Wernow hat alles durchdacht.
Ans Werk, um den Fluss zu forcieren!..
Aus Wracks und aus allerhand Trümmern
werden Fähren und Flöße gemacht,
von Kindern und alten Fischern
werden Boote herbeigeschafft.
Bis zum Mittag ist alles intakt.
Jetzt wollen sie ruhn bis zur Nacht…
Da hört man ein Surren aus Osten:
Na seht doch, da kommt wie gerufen
ein sowjetisches Bombengeschwader,
bis zum Rande mit Bomben beladen, –
für das rechtseitige Dneprufer.
„Das sind unsre Schutzengel, Brüder!
Los! Ans andere Ufer hinüber!“
befiehlt nun Wladimir entschieden.
Den Dnepr sie eilig forcieren
(Das sagt sich jedoch nur so leicht!).
Geschosse ringsum explodieren…
Das Ufer ist endlich erreicht!
Mit Wut auf den Feind sie sich stürzen –
ein Angriff, ein Sturm, ungestüm!
Den Gegner sie völlig zerschlitzen –
erbittert, verbissen und kühn!
Die Stellung ist schließlich genommen!
Doch aufs neue der Feind sie bedroht…
Die Ablösung – bald wird sie kommen…
Also kämpfen auf Leben und Tod!..
Das Feuer – es stellt sich nicht ein
bis spät in die Nacht gar hinein…
Auch am Morgen dann bersten Granaten,
Geschosse zerplatzen ergrimmt…
Ein Häuflein Sowjetsoldaten
hier gegen die Übermacht ringt.
Die Kämpfe sind heftig und schwer.
Jeder Hieb des Feindes wird abgewehrt.
„Aushalten, durchhalten, Brüder!
Wir müssen den Aufmarschplatz sichern!
Die Unsrigen setzen bald über!..“
Doch die Reihen der Kämpfer sich lichten.
Und der Abend rückt wieder heran.
„Genossen, schöpft Mut und voran!
Verflucht die verruchten Faschisten!
Zerschlagt und zermalmt das Gelichter!..“
Und selbstlos und opferbereit,
den heftigen Widerstand
des Feinds überwindend
und Siegesfreude empfindend,
stirbt Wolodja im Kampf
für sein Heimatland
den Heldentod.
Mit neunzehn Jahren…
Es wird das Volk seinen Sohn
im Gedächtnis
auf immer bewahren –
als Helden der Sowjetunion!..
Dieser Ruhmestitel
wurde Wolodja
dann postum verliehen.
Und immerfort wird
über seinem Grabe
das flammende Rot
des Ewigen Feuers
seiner Heimat glühen!..
2.
Als der blutgierige Aasgeier,
sich – heimtückisch und lüstern –
in die Brust unserer Heimat gekrallt,
mit roher, brutaler Gewalt
ihr schmerzhafte Wunden nun schlug
mit seinem gepanzerten Schnabel,
diente Sergeant Peter Werner
bei der Nachrichtenabteilung
einer Schützendivision.
Und es zogen ins Feld die Soldaten,
und in harten und heftigen Schlachten
nahmen teil sie im Juli-August
an der schweren, erbitterten,
leidvoll-erschütternden
Kiewer Verteidigungsoperation…
* * *
Verwundet, kam Peter
im Herbst noch, im späten,
im Hinterland an.
Und fünf lange
Sommer und Winter
der Werner dann stand
im Ural an der Kama
im Holzeinschlag.
Und Jahr für Jahr,
und Tag für Tag,
ob Schnee oder Regen,
ob heiß oder kalt,
ob hell oder dunkel,
ob satt oder hungrig,
stand der Werner, der Peter,
mit Axt und mit Säge
im tiefen und finsteren Wald –
vom endgültigen Siege,
vom so heißersehnten Frieden
und vom fernen Zuhause träumend –
und fällte und fällte und fällte
da Bäume und Bäume und Bäume,
denn die Heimat litt Not,
und im Lande war Bauholz
fast so nötig wie Brot…
* * *
Nach Hause zurückgekehrt,
sich bis auf den heutigen Tag
Peter Werner bewährt
im Fernmeldewesen – wie immer…
Und der Kriegs- und Arbeitsveteran –
er vergisst die Kriegsopfer nimmer
und erinnert sich stets an Wladimir,
über dessen Mut und Heldentod
er erst in den fünfziger Jahren
nach langem und rastlosem Suchen
Genaueres allmählich erfahren…
Und er träumt – schon schlohweiß,
sein Enkelkind Edwin sanft wiegend –
den uralten Traum – vom Frieden.
Denn: In unzählbar vielen Herzen
hallen die brennenden Schmerzen
des langen, verlustreichen Krieges
bis heute und weiterhin wider.
Drum müssen sich hier auf der Erde
alle Menschen guten Willens
für immer vereinen,
alle Menschen festen Glaubens
für immer verbrüdern,
um auf unserem einzigen
herrlichen blauen Planeten
in ewigem Frieden zu leben!
***
Dass die Menschen dereinst
das Ziel ihrer Wünsche erreichen,
besiegelte damals Wolodja
mit seinem heroischen Kampf
seine unverbrüchliche Treue
zu seinem Heimatland
und starb den Heldentod.
Und vierzig Jahre nun leuchtet
das glühende Flammenrot
des Ewigen Feuers
über seinem stillen Grabe,
über allen Soldatengräbern
als Sinnbild der tiefen Trauer
um die zwanzig Millionen Opfer
des langen und blutigen Krieges,
die im Tode den Feind noch besiegten,
dass wir alle auf Erden genießen
das Leben in randvollen Zügen
hier unter der Sonne des Friedens.
1985