Mein Wolgastrand

Es wurde das Erbe verkannt,
das fleißige Hände geschaffen:
Ein Volk war zum Leiden verdammt
und musste die Heimat verlassen.

Refrain:

   O du, mein betroffenes Lied,
   Zum Wolgastrand eile, o eile,
   wohin es so lange dich zieht.
   wohin es so lange dich zieht.
   Dort werden die Wunden verheilen.

Der Weg war so weit und so schwer:
Für uns, die gewaltsam vertrieben.
Die Willkür hat alles zerstört –
die Sagen, Balladen und Lieder.

Refrain

Es liegt uns die Heimat im Sinn –
mit all ihren Klängen und Farben:
Dort zieht es uns immerfort hin…
So lass dich, o Wolga, umarmen.

Refrain

1988

Im Wirbelwind

O Birkenhain, o Birkenhain,
versäume nicht, den Sonnenschein
der Seelengüte auszustrahlen!
Am Wiesenrand dort steht allein,
so einsam und so ganz allein
ein gertenschlankes Birkenkind
im wirren, wilden Wirbelwind
und leidet schlimme Qualen.

So reiche, reiche ihr die Hand –
der Birkenmaid am Wiesenrand,
um ihren Schmerz zu mildern!
Vielleicht ist sie vor Sehnsucht krank,
die sie bedrängt, noch unerkannt,
und sieht im Traum den Birkenbaum,
den hohen, dort am Waldessaum
im Kreise junger Linden.

1987

Knospen

In Blumenfeld singen die Wiesen
nun wieder dem herrlichen Frühling
zum Abschied, zum Abschied,
zum Abschied ein klingendes Lied.
Die Felder den Sommer schon rühmen:
Die Saat hat begonnen zu grünen,
und bald auch der Weizen,
und bald auch der Weizen erblüht.

Im Blumenfeld blühen die Blumen
und Mädchen am schönsten im Juni:
Die Liebe, die Liebe,
die Liebe des Sommers ist heiß!
Drum öffnen sich gern alle Knospen,
drum werden rings Kränze geflochten
aus Hoffnung, aus Freude,
aus Hoffnung, aus Freude und Leid.

Im Herbst, wenn die Ernte vorüber,
singt Blumenfeld fröhliche Lieder
und dichtet, und dichtet,
und dichtet manch Hochzeitsgedicht:
vereint doch die ewige Liebe
manch Liebespaar wieder und wieder:
Was knospet, verrostet,
was knospet, verrostet ja nicht!

1987

Duft der Sommerblumen

Juni, Juli und August
bringen viele Freuden.
Alles grünt und blüht voll Lust.
um danach zu reifen.

Rot, orange, braun und gelb
prangt es dort im Garten:
Eine bunte Sommerwelt,
die auf Ernte wartet.

Jeder Sommermonat weiß,
was die Kinder wollen,
tut sein Werk mit allem Fleiß
auf der Heimatscholle.

Und die Kinder freuen sich,
Hand mit aunzulegen:
Alles klingt so sommerlich –
Sonne, Wind und Regen…

Und am letzten Sommertag
winkt auch schon die Schule.
Wärme aus den Augen strahlt:
Duft der Sommerblumen!

1981(?)

Sonnenblumen

Grüne Tüchlein um die Hüften,
wiegen sie sich wie im Tanz.
Und das gelbe Hütchen lüften
grüßend sie im Morgenglanz.

Sonnenblumen, Sonnenblumen
rechts und links und weit und breit
auf der lockren Ackerkrume
in der schönen Sommerzeit!

Reih an Reih empor sie ragen
sonnengelb und sommerheiß
Reiche Früchte werden tragen
hier des Landmanns Fleiß und Schweiß!

Abertausend Sonnen glühen
auf dem Feld in voller Pracht,
das der Bauer früh im Frühling
froh bestellt bei Tag und Nacht.

Endlos sind der Heimat Weiten,
segensreich und lichterhellt…
Stolz die Sonnenblumen reifen
auf dem Sonnenblumenfeld!

1982

Widerklang

Bezaubernd blüht im Lenz der Flieder –
sein stiller Traum wird Wirklichkeit:
Mit seiner Blüte kehren wieder
Erfüllung und Vollkommenheit.

Refrain:

Der Widerklang des Guten und des Schönen
erfreut das Herz wie mildes Sonnenlicht.
Auch unser Lied soll heute hell ertönen
als Hoffnungstraum und frohe Zuversicht.

Gemütvoll klingt und singt der Sommer,
den jedes Vöglein preist und rühmt.
Die Fluren heißen uns willkommen,
wo jedes Hälmchen heiter grünt.

Refrain

Dann kommt der Herbst mit vollen Wagen –
die Frucht der edlen Tat ist reif! –
und schenkt uns seine reichen Gaben
als Dank für unser aller Fleiß.

Refrain

19. Januar 1988

Geh ich durch die Straßen

Schneeverträumte Gipfel
hoch im Alatau,
Pyramidenpappeln,
leises Himmelblau.

Refrain:

Geh ich durch die Straßen,
grüßt von fern und nah
mich das lichte Morgen
von Alma-Ata.

Blütenschnee und Blumen
sät der Sonnenschein,
und in allen Herzen
zieht der Frühling ein.

Refrain.

Heiter klingen Lieder,
üppig blüht der Mai.
Ich bin voller Freude:
Du bist auch dabei!

Refrain.

Stadt erfüllter Träume,
Stadt der Zuversicht!
Hier hab ich gefunden
dich, mein Sonnenlicht!

Refrain.

1974

Söhne der Heimat

         1.
In so vielen Herzen
hallen die Schmerzen
des blutigen Krieges
bis heute noch wieder…

        * * *
Wieviel Träume ein jeder wohl träumt
in der Jugend! Zu allen Zeiten.
Das Leben – es braust und es schäumt,
und hoffnungsvoll blauen die Weiten.

Auch Wolodja Werner,
keine siebzehn mal alt,
blickte froh in die Ferne,
wo so manche Gestalt
entgegen ihm lachte
und glücklich ihn machte…

Doch ballten sich düstere Wolken
am Himmel da drohend zusammen.
Und die Träume, die reifen noch sollten,
gingen hoffnungslos auf dann in Flammen…

            * * *
Und im Juli einundvierzig,
als die faschistische Bestie
sich menschenblutdürstig,
rings Unheil schon stiftend
und menschheitsgefährdend
auf das Heimatland stürzte,
meldete gleich sich Wolodja –
wie Tausende andere
            blutjunge Junge –
freiwillig zum Militärdienst…

           * * *
Der Nahangriff will nicht gelingen…
„Kommandeur“, sagt nun leise Wladimir,
„ich nütze die Mulde dort links…
Wie denn anders? Ich werde es wagen!“
Und er gleitet hinab in den Graben,
das Maschinengewehr auf der Schulter…
Auf dem Bauch geht es vorwärts nun flink…
Noch hundert… und noch hundert Schritte…
Dann fällt er dem Feind in den Rücken:
Mit seinem MG überrumpelt
er kühn die faschistischen Lumpen.
Jetzt kommen Wolodjas Soldaten
und mähen die letzten noch nieder…
Und vorwärts nach Westen geht’s wieder!

           * * *
Auch im Krieg zieht die Zeit ihre Runden,
wie im Fluge enteilen die Stunden:
Silvester des Jahrs zweiundvierzig.
Dichte Schneeflocken wirbeln zur Erde…
Da lässt der Regimentskommandeur
Wolodja am Nachmittag kommen…
Na ja, ein Gefangener müsste
zum Neujahrsfest eingebracht werden.
Erwünscht wäre ein Offizier…
„Zu Befehl! Rund um zwölf ist er hier!“

Silvesterweißfarben getarnt,
geht Wladimir mit noch fünf Soldaten
den Deutschen das Neujahr anschießen…
Der Abend ist spannungsgeladen.
Die bläulichen Schatten zerfließen.
Und jedweder Laut die Kundschafter warnt,
und jedes Geräusch mit der Faust ihnen droht…
Der feindliche Posten ist endlich erreicht:
Ein MG-Stand. Verlassen. Wie tot.
Sie schleudern hinein – paar Granaten.
Das MG-Nest für immer jetzt schweigt.
Ein Dutzend Faschisten sich zeigt.
Wladimir mit Strenge da schreit
„Halt! Wer da?!“ in akzentfreiem Deutsch.
Die Faschisten stehen in Unschlüssigkeit…
Da knattern schon los die MPis
(Wolodja zu seinen Kameraden:
„Dass keiner den Offizier mir erschießt!“).
Nieder sacken ein paar vom Gelichter,
die anderen fluchen und flüchten…
Und den deutschen Offizier
             Leutnant Wernow bugsiert
stracks ins Regiment
              als Neujahrsgeschenk…

Werny statt Werner ward oft er genannt
von frühester Kindheit wohl her noch.
Im Regiment war Wolodja bekannt
als Werner und Werny und Wernow…

            * * *
Dreiundvierzig, im Sommer,
wird die feindliche Brjansk-Bolchower
Kräftegruppe in die Zange genommen
und aufs Haupt nun geschlagen…

Der Sturm der MG-Kompanie
gerät da auf einmal ins Stocken.
Und Wladimir fällt unerschrocken
mit dem Zug nun dem rasenden Feind
in die offene linke Flanke.
Und die Reihen des Gegners
beginnen gleich feige zu wanken…
Der Kompaniechef, da heißt’s,
          sei soeben gefallen…
Und Wernow übernimmt das Kommando…
In erbittertem Streit
        wird die Siedlung befreit!..

            * * *
Es ist endlich der Anmarschweg
bis zum Dnepr zurückgelegt.
Die MG-Kompanie muss als Vortrupp
den Übergang schnellstens erzwingen…
Leutnant Wernow hat alles durchdacht.
Ans Werk, um den Fluss zu forcieren!..
Aus Wracks und aus allerhand Trümmern
werden Fähren und Flöße gemacht,
von Kindern und alten Fischern
werden Boote herbeigeschafft.
Bis zum Mittag ist alles intakt.
Jetzt wollen sie ruhn bis zur Nacht…

Da hört man ein Surren aus Osten:
Na seht doch, da kommt wie gerufen
ein sowjetisches Bombengeschwader,
bis zum Rande mit Bomben beladen, –
für das rechtseitige Dneprufer.
„Das sind unsre Schutzengel, Brüder!
Los! Ans andere Ufer hinüber!“
befiehlt nun Wladimir entschieden.
Den Dnepr sie eilig forcieren
(Das sagt sich jedoch nur so leicht!).
Geschosse ringsum explodieren…
Das Ufer ist endlich erreicht!

Mit Wut auf den Feind sie sich stürzen –
ein Angriff, ein Sturm, ungestüm!
Den Gegner sie völlig zerschlitzen –
erbittert, verbissen und kühn!
Die Stellung ist schließlich genommen!
Doch aufs neue der Feind sie bedroht…
Die Ablösung – bald wird sie kommen…
Also kämpfen auf Leben und Tod!..
Das Feuer – es stellt sich nicht ein
bis spät in die Nacht gar hinein…

Auch am Morgen dann bersten Granaten,
Geschosse zerplatzen ergrimmt…
Ein Häuflein Sowjetsoldaten
hier gegen die Übermacht ringt.

Die Kämpfe sind heftig und schwer.
Jeder Hieb des Feindes wird abgewehrt.
„Aushalten, durchhalten, Brüder!
Wir müssen den Aufmarschplatz sichern!
Die Unsrigen setzen bald über!..“
Doch die Reihen der Kämpfer sich lichten.
Und der Abend rückt wieder heran.
„Genossen, schöpft Mut und voran!
Verflucht die verruchten Faschisten!
Zerschlagt und zermalmt das Gelichter!..“

Und selbstlos und opferbereit,
            den heftigen Widerstand
des Feinds überwindend
        und Siegesfreude empfindend,
stirbt Wolodja im Kampf
                 für sein Heimatland
den Heldentod.
             Mit neunzehn Jahren…
Es wird das Volk seinen Sohn
                       im Gedächtnis
               auf immer bewahren –
als Helden der Sowjetunion!..

Dieser Ruhmestitel
                    wurde Wolodja
dann postum verliehen.
                  Und immerfort wird
über seinem Grabe
                  das flammende Rot
des Ewigen Feuers
             seiner Heimat glühen!..

              2.
Als der blutgierige Aasgeier,
sich – heimtückisch und lüstern –
in die Brust unserer Heimat gekrallt,
mit roher, brutaler Gewalt
ihr schmerzhafte Wunden nun schlug
mit seinem gepanzerten Schnabel,
diente Sergeant Peter Werner
      bei der Nachrichtenabteilung
            einer Schützendivision.
Und es zogen ins Feld die Soldaten,
und in harten und heftigen Schlachten
nahmen teil sie im Juli-August
an der schweren, erbitterten,
         leidvoll-erschütternden
Kiewer Verteidigungsoperation…

             * * *
Verwundet, kam Peter
             im Herbst noch, im späten,
im Hinterland an.
Und fünf lange
              Sommer und Winter
der Werner dann stand
im Ural an der Kama
              im Holzeinschlag.
Und Jahr für Jahr,
               und Tag für Tag,
ob Schnee oder Regen,
             ob heiß oder kalt,
ob hell oder dunkel,
          ob satt oder hungrig,
stand der Werner, der Peter,
          mit Axt und mit Säge
im tiefen und finsteren Wald –
      vom endgültigen Siege,
vom so heißersehnten Frieden
und vom fernen Zuhause träumend –
und fällte und fällte und fällte
da Bäume und Bäume und Bäume,
denn die Heimat litt Not,
und im Lande war Bauholz
      fast so nötig wie Brot…

          * * *
Nach Hause zurückgekehrt,
sich bis auf den heutigen Tag
Peter Werner bewährt
im Fernmeldewesen – wie immer…
Und der Kriegs- und Arbeitsveteran –
er vergisst die Kriegsopfer nimmer
und erinnert sich stets an Wladimir,
über dessen Mut und Heldentod
er erst in den fünfziger Jahren
nach langem und rastlosem Suchen
Genaueres allmählich erfahren…
Und er träumt – schon schlohweiß,
sein Enkelkind Edwin sanft wiegend –
den uralten Traum – vom Frieden.

Denn: In unzählbar vielen Herzen
hallen die brennenden Schmerzen
des langen, verlustreichen Krieges
bis heute und weiterhin wider.

Drum müssen sich hier auf der Erde
alle Menschen guten Willens
              für immer vereinen,
alle Menschen festen Glaubens
             für immer verbrüdern,
um auf unserem einzigen
       herrlichen blauen Planeten
in ewigem Frieden zu leben!

             ***
Dass die Menschen dereinst
das Ziel ihrer Wünsche erreichen,
besiegelte damals Wolodja
mit seinem heroischen Kampf
seine unverbrüchliche Treue
zu seinem Heimatland
        und starb den Heldentod.
Und vierzig Jahre nun leuchtet
das glühende Flammenrot
              des Ewigen Feuers
über seinem stillen Grabe,
über allen Soldatengräbern
als Sinnbild der tiefen Trauer
um die zwanzig Millionen Opfer
des langen und blutigen Krieges,
die im Tode den Feind noch besiegten,
dass wir alle auf Erden genießen
das Leben in randvollen Zügen
hier unter der Sonne des Friedens.

                                  1985

Die Mär vom Streuselkuchen

           1.

Hier in Steppenblumenheim
lieben alle – groß und klein –
über alles … Streuselkuchen.
Möchtet ihr ihn auch versuchen?
Aber bitte! Bitte schön!
Köstlich schmeckt er! Delikat!
Und der Duft so angenehm!
Stücke wie ein Wagenrad
auf der Zungen gleich zergehn.
Liebe Gäste, bitte esst!
Auf dem Streuselkuchenfest
lässt man keinen Überrest!

Ob sich wer geniert vielleicht?
Greift nur zu und tut nicht fremd,
denn der Streuselkuchen reicht
für ein ganzes Regiment
Leckermäuler. Glaubt es mir.
Streuselkuchen bäckt man hier
größer als… nun, sagen wir,
als das Fürstentum Monaco
(wenn ihr diesen Zwergstaat kennt).
So wird hier drauflosgebacken!
Blumenheim ist allbekannt
als ein Streuselkuchenland.

Ganze Tonnen weißen Zuckers,
ganze Tonnen gelber Butter,
ganze Tonnen feinen Mehls
braucht allein man
             für die Bröckchen,
die ein bisschen komisch heißen,
aber doch auch gleicherweise
schön und schlicht und einfach –
                       Streusel!
Und das ist noch nicht genug.
Noch ein langer Güterzug
Weizenmehl gehört dazu!
(Das du nicht in Ohnmacht fällst –
für den Hefekuchen selbst)…

              2.
Doch Blumenheim ist – wie bekannt –
beileibe kein Schlaraffenland.
Es dauerte so ziemlich lang,
bis dass der Streuselkuchen
als harter Arbeit hoher Lohn,
als Schmaus und alte Tradition
ward wieder wachgerufen
und wieder Eingang fand.
Es ist eine lange Geschichte,
die selbst die Zeit gedichtet,
und viele fleißige Menschen
haben die große Wende
und die Mär von Streuselkuchen
Tag für Tag und Jahr für Jahr
auf ihrer Wahrheitssuche
auf immer höherer Stufe
mit Zuversicht und Liebe
allmählich niedergeschrieben…

1954.
Ob denn das Glück uns günstig?..
Der helle Klang der Fröste,
der Tanz der Winterstürme
und Zelte als Behausung
anstatt der warmen Nester.
Der Song der Frühlingswinde
und das Vorausempfinden
der ersten Neulandsaat;
die erste Heideblume,
die erste Ackerkrume,
die erste große Tat;
Das Recken und das Strecken
der auferwachten Steppe
nach tausendjährigem Schlaf.

Die himmelblauen Augen
der Mädchen aus Rjasan,
die braunen und die grauen,
die schwarzen – lodernd Feuer! -,
die sanften und die treuen
der Mädchen aus Tambow,
Woronesh, Jerewan…
So fing die Freundschaft an…

Die Glut der Sommersonne.
Der Weizen – hoch und dicht.
Die ersten Dezitonnen.
Viel Korn das Feld verspricht.
Und Tag und Nacht am Steuer
mit Schwung und Jugendfeuer.
Wer mühte sich da nicht?!.
Auch manche miese Schlappe
verkroch sich auf dem Acker
wie eine listige Ratte,
um heimtückisch ihr Opfer
beim Kragen gleich zu packen.

Des Fehlgriffs Bitternis,
des Sandsturms Hinterlist…
Das Neuland nichts vergisst.
Jedoch die Segel sind gehisst!
Der Fleiß der rauhen Hände
und Hoffnung ohne Ende,
das Gold der Neulandfelder,
der Mut der Neulandhelden;
der freiwillige Einsatz
so vieler tausend Menschen –
hier brüderlich vereint -,
damit für ihre Kinder
die Sonne immer scheint,
damit auf Erden Frieden währt –
das ist der stolze Anfang
der Streuselkuchenmär,
das Was und das Wie
in der brausenden Sinfonie
von Farben
         und Freuden
                 und Sorgen,
die die Neulanderschließung
in ihrer Breite und Tiefe
in sich geborgen…

                3.
1955,
im blühenden Mai,
erblickte Mariechen
in der Neulandsteppe
(die Siedlung lag zu weit,
und es reichte die Zeit
für’s Nachhaus
        nicht mehr aus)…
erblickte Mariechen
am Morgen, am frühen,
in einem kleinen Zelt
auf einem großen Feld
das Licht der Welt
und war
bei der Neulanderschließung
von Geburt an dabei…

Jetzt waren die Bäckers
eine junge Familie.
Denn sie hatten eine Tochter!
(auf Söhne verständlicherweise
die Eltern noch hofften).
Sie hatten ihren eigenen Herd,
wo es Licht gab und Wärme
und Freuden und Sorgen,
wo die Flammen der Herzen
erleuchteten hell
       ihren Weg in das Morgen…

1955,
in jenem denkwürdigen Jahr,
hat bei der Ernteeinbringung
(in der einst
        so trostlosen Steppe!)
der Kombineführer Bäcker
mit seinem Gehilfen Miroschkin
über 600 Hektar Weizen
gemäht und gedroschen…
Und in den weiten Jahren
haben die Neulandfahrer –
aus allen Teilen
des Landes gekommen,
Vertreter
von 20 Nationalitäten
und Völkerschaften,
die in Blumenheim nunmehr
Bekanntschaft machten
und Freundschaft schlossen, –
im Winter und Sommer,
bei Wind und bei Wetter
ihr Bestes getan,
um die fruchtlose Steppe
(die man anfangs mitunter
auch grob hat behandelt)
in ein blühendes Land
          zu verwandeln…

                4.
Nach Jahrzehnten übernahmen
die Söhne und Töchter
der Miroschkins,
         Ibrajews
              und Bäckers –
der Neulandpioniere –
hier in der Steppe
      die Neulandstafette…
Sie sitzen am Lenkrad
des Traktors im Frühling,
sie führen beim Ernten
gekonnt die Kombine,
sind Techniker, Schäfer
und Installateure –
sind schöpferisch
      schaffende Menschen
vom Schlag ihrer Väter…

Nebenbei ist zu sagen –
Mariechen ist ganz
„aus der Art geschlagen“:
Maria Johannowna Wagner
ist Dozentin
       an der Universität
und unterrichtet dort
deutsche Sprache –
erfolgreich, beflissen.
Auch dort wird nun eben
gepflügt und gesät,
und man erntet auch ein –
auf dem Felde des Wissens
Rückgrat für’s Leben…

1984:
Neulandjubiläumsjahr!
So mancher Neulandveteran
freut sich
      und plagt sich
            und fragt sich,
ob denn schon dreißig Jahre
                  vergangen,
die so manches
          unvergessliches Bild
in seinem Gedächtnis
                   erwecken…
Achtundfünfzig jetzt zählt
               Johann Bäcker…
Doch wenn das Herz sich freut
        so innig und unbefangen,
dann eilen auch düstre Gedanken
wie leichte, weiße Wolken
          wieder von dannen…

Und wie damals,
          vor dreißig Jahren,
ist Bäcker
    verliebt in die Steppe,
die vor dem inneren Auge
             vorübereilt
wie das russische Dreigespann
und dennoch verbleibt
        in Zentralkasachstan.
Und Johann Bäcker vergisst
die Reparaturwerkstätte,
wo er schon jahrelang Leiter ist,
und lässt sie im Stich
und zieht
zusammen mit seinen Söhnen
Johann und Peter und Dietrich
aufs Feld, wo man friedlich,
mit Stolz und mit Freude
erntet das Sommergetreide,
dass niemand im Winter
braucht Hunger zu leiden,
dass im Frühling dann wieder
die Steppe erblüht
so schön
       und so reich
                 wie noch nie,
dass die Menschen
        all leben in Frieden,
dass nie auf der Erde
        wird wieder gekriegt!..

          ***
Wir waren vor kurzem
in Blumenheim drunten
und kamen bei Bäckers
mal wieder vorbei
und haben bis spät
dann zusammengesessen
und Kuchen gegessen
und Kaffee getrunken
und Neulandgeschichten
einander erzählt.1984

Zuversicht

Durch meine ferne Jugend wieder schreit ich.
Ob es ein Traum ist oder Wirklichkeit?
Und jeder Schritt ins Damals hin erfreut mich:
Denn dieser Weg ist nie für mich zu weit.

Ein Weg zurück? Es ist mein Weg ins Heute!
Er war nicht leicht, mit Rosen nie bestreut.
Ich ließ jedoch von meinem Stern mich leiten
und träumte meinen Traum in Freud und Leid…

Und jede Einzelheit von damals weiß ich,
und froh erkenn ich jeden Baum und Strauch,
und alle Jugendleiden neu erleid ich,
und mich erfrischt der Jugendfreuden Hauch!

Ich weiß es nicht: Sind es dieselben Bäume?
Sie grünten damals – rank und schlank – am Rain.
Ich weiß es nicht: Sind es dieselben Träume?
Ich hielt sie gern – denn jung ist jung – geheim…

Dann kam der Krieg… Es ging ans Bäumefällen.
Im Sommer und im Winter, Tag für Tag.
Allmählich stand der dunkle Wald viel heller:
Der Ort der Handlung hieß nun Holzeinschlag.

Die Bügelsäge auf der müden Schulter,
die schwere Axt fest in der rauhen Hand,
ging’s morgens früh bergauf und berghinunter –
danach, wo sich der Holzschlag grad befand.

Die Waldesriesen stürzten krachend nieder;
uns schmerzte jeder Baum, den wir gefällt:
O klagt nicht, stöhnt nicht, weint nicht, grüne Brüder, –
auch auf dem Schlachtfeld dort fällt mancher Held!

Und auch für uns ist das hier kein Vergnügen.
Wir brechen selbst zusammen, matt und müd.
Doch vorwärts heißt’s allein: Wir müssen siegen!
Und ohne Opfer gibt es keinen Sieg…

Wir scheuten weder Schnee noch Sturm, noch Fröste.
War’s vierzig unter Null, so stieg der Groll.
Wir schonten, wenn’s auch hart war, keine Kräfte
und machten an Festmetern unser Soll.

Wenn du die Tagesnorm da nicht erfülltest,
dann wurde kleiner deine Brotration.
Und hungrig du dich in die Decke hülltest
und träumtest blind die ganze Nacht davon,

dich einmal, wieder einmal sattzuessen,
und hast am nächsten Tag dich nicht geschont
und fälltest, sägtest, hacktest wie besessen,
denn deine Arbeit ward mit Brot belohnt…

Wo gab es Brot genug in jenen Zeiten?
In welchem Dorf? In welcher fernen Stadt?
Im Steppendorf, wo Weizenfelder reiften?
Im Schützengraben oder Leningrad?..

Die Heimat brauchte – dringend -, um zu siegen,
Getreide, Kleider, Kohle, Erz und Holz…
Wenn wir zur Kama müd hinunterstiegen,
so waren wir auf unser Tagwerk stolz…

Nun gute Nachrichten wir öfter hören.
Und hoch und höher schlägt auch uns das Herz.
Rot schlüpfen aus dem Schnee die Preiselbeeren.
Und unser Aufbauholz schwimmt flussabwärts…

Doch dauert es noch lange, schwere Jahre,
bis in Berlin der Sowjetpanzer steht,
bis beigebracht dem Feind die Niederlage,
bis auf dem Reichstag unsre Fahne weht…

Dann rund um zwölf erreicht auch uns die Kunde:
Hört alle, hört: Zu Ende ist der Krieg!
Gekommen ist die langersehnte Stunde:
Im harten Kampf hat unser Land gesiegt!

Umarmungen und Tränen: Frieden! Frieden!
Erhellt ist jeder Blick vom Freudenstrahl.
Und „Frieden! Frieden!“ hallt im Wald es wider
hier oben an der Kama im Ural…

                 * * *
Der Neunte Mai ist nicht mehr wegzudenken.
Er war und bleibt das große Friedensfest,
Dem Frieden wir allein Vertrauen schenken,
weil er uns froh ins Morgen schreiten lässt.

Es kann nur dann ein Ackerland ergrünen,
wenn man’s bestellt, umsorgt und ihm vertraut:
Neu geht’s ans Werk, und auf den Kriegsruinen
wird jetzt ein neues Leben aufgebaut.

Rings reges Leben herrscht. Die Gärten blühen.
Die Felder grünen. Neuland unterm Pflug.
Froh Kinderscharen durch die Straßen ziehen.
Nun gibt’s für alle wieder Brot genug.

Der Mensch braucht nicht nur Brot, auch Herzensgüte.
Der Mensch ist gut. Wenn er die Menschen liebt.
Das Gute vor dem Bösen zu behüten –
ob’s eine Pflicht, die höher ist, noch gibt?!

In diesem Sinne wurden wir erzogen,
in diesem Geiste man uns stets erzieht.
Was unmenschlich und falsch ist und erlogen –
damit wird unerbittlich Kampf geführt…

Ich schau mit Stolz auf meine Enkelkinder:
Ja, meine Träume wurden Wirklichkeit!
Gelingt es, den Atomkrieg zu verhindern,
erfreut sie eine hoffnungsvolle Zeit.

Und neu Höhen heute wir erklimmen.
Und neue Ziele werden angestrebt.
Drum brauchen wir den friedlich-blauen Himmel,
damit der Mensch in Glück und Wohlstand lebt…

Du, Heimat, sollst erblühn für alle Zeiten!
Und droht ein Sturmtief deinem grünen Mai,
dann werden deine Söhne dir erstreiten
den blauen Himmel kühn und pflichtgetreu.

                                            1984