Durch meine ferne Jugend wieder schreit ich.
Ob es ein Traum ist oder Wirklichkeit?
Und jeder Schritt ins Damals hin erfreut mich:
Denn dieser Weg ist nie für mich zu weit.
Ein Weg zurück? Es ist mein Weg ins Heute!
Er war nicht leicht, mit Rosen nie bestreut.
Ich ließ jedoch von meinem Stern mich leiten
und träumte meinen Traum in Freud und Leid…
Und jede Einzelheit von damals weiß ich,
und froh erkenn ich jeden Baum und Strauch,
und alle Jugendleiden neu erleid ich,
und mich erfrischt der Jugendfreuden Hauch!
Ich weiß es nicht: Sind es dieselben Bäume?
Sie grünten damals – rank und schlank – am Rain.
Ich weiß es nicht: Sind es dieselben Träume?
Ich hielt sie gern – denn jung ist jung – geheim…
Dann kam der Krieg… Es ging ans Bäumefällen.
Im Sommer und im Winter, Tag für Tag.
Allmählich stand der dunkle Wald viel heller:
Der Ort der Handlung hieß nun Holzeinschlag.
Die Bügelsäge auf der müden Schulter,
die schwere Axt fest in der rauhen Hand,
ging’s morgens früh bergauf und berghinunter –
danach, wo sich der Holzschlag grad befand.
Die Waldesriesen stürzten krachend nieder;
uns schmerzte jeder Baum, den wir gefällt:
O klagt nicht, stöhnt nicht, weint nicht, grüne Brüder, –
auch auf dem Schlachtfeld dort fällt mancher Held!
Und auch für uns ist das hier kein Vergnügen.
Wir brechen selbst zusammen, matt und müd.
Doch vorwärts heißt’s allein: Wir müssen siegen!
Und ohne Opfer gibt es keinen Sieg…
Wir scheuten weder Schnee noch Sturm, noch Fröste.
War’s vierzig unter Null, so stieg der Groll.
Wir schonten, wenn’s auch hart war, keine Kräfte
und machten an Festmetern unser Soll.
Wenn du die Tagesnorm da nicht erfülltest,
dann wurde kleiner deine Brotration.
Und hungrig du dich in die Decke hülltest
und träumtest blind die ganze Nacht davon,
dich einmal, wieder einmal sattzuessen,
und hast am nächsten Tag dich nicht geschont
und fälltest, sägtest, hacktest wie besessen,
denn deine Arbeit ward mit Brot belohnt…
Wo gab es Brot genug in jenen Zeiten?
In welchem Dorf? In welcher fernen Stadt?
Im Steppendorf, wo Weizenfelder reiften?
Im Schützengraben oder Leningrad?..
Die Heimat brauchte – dringend -, um zu siegen,
Getreide, Kleider, Kohle, Erz und Holz…
Wenn wir zur Kama müd hinunterstiegen,
so waren wir auf unser Tagwerk stolz…
Nun gute Nachrichten wir öfter hören.
Und hoch und höher schlägt auch uns das Herz.
Rot schlüpfen aus dem Schnee die Preiselbeeren.
Und unser Aufbauholz schwimmt flussabwärts…
Doch dauert es noch lange, schwere Jahre,
bis in Berlin der Sowjetpanzer steht,
bis beigebracht dem Feind die Niederlage,
bis auf dem Reichstag unsre Fahne weht…
Dann rund um zwölf erreicht auch uns die Kunde:
Hört alle, hört: Zu Ende ist der Krieg!
Gekommen ist die langersehnte Stunde:
Im harten Kampf hat unser Land gesiegt!
Umarmungen und Tränen: Frieden! Frieden!
Erhellt ist jeder Blick vom Freudenstrahl.
Und „Frieden! Frieden!“ hallt im Wald es wider
hier oben an der Kama im Ural…
* * *
Der Neunte Mai ist nicht mehr wegzudenken.
Er war und bleibt das große Friedensfest,
Dem Frieden wir allein Vertrauen schenken,
weil er uns froh ins Morgen schreiten lässt.
Es kann nur dann ein Ackerland ergrünen,
wenn man’s bestellt, umsorgt und ihm vertraut:
Neu geht’s ans Werk, und auf den Kriegsruinen
wird jetzt ein neues Leben aufgebaut.
Rings reges Leben herrscht. Die Gärten blühen.
Die Felder grünen. Neuland unterm Pflug.
Froh Kinderscharen durch die Straßen ziehen.
Nun gibt’s für alle wieder Brot genug.
Der Mensch braucht nicht nur Brot, auch Herzensgüte.
Der Mensch ist gut. Wenn er die Menschen liebt.
Das Gute vor dem Bösen zu behüten –
ob’s eine Pflicht, die höher ist, noch gibt?!
In diesem Sinne wurden wir erzogen,
in diesem Geiste man uns stets erzieht.
Was unmenschlich und falsch ist und erlogen –
damit wird unerbittlich Kampf geführt…
Ich schau mit Stolz auf meine Enkelkinder:
Ja, meine Träume wurden Wirklichkeit!
Gelingt es, den Atomkrieg zu verhindern,
erfreut sie eine hoffnungsvolle Zeit.
Und neu Höhen heute wir erklimmen.
Und neue Ziele werden angestrebt.
Drum brauchen wir den friedlich-blauen Himmel,
damit der Mensch in Glück und Wohlstand lebt…
Du, Heimat, sollst erblühn für alle Zeiten!
Und droht ein Sturmtief deinem grünen Mai,
dann werden deine Söhne dir erstreiten
den blauen Himmel kühn und pflichtgetreu.
1984
