Grübeleien

Die Zeit
kann so manches vernichten.
doch bleiben Legenden zurück.
Noch mehr sie vermag zu errichten:
Sie baut ihr Gebäude geschickt.
Und alles hat seine Geschichte –
jedes Feld, jedes Dorf, jedes Haus.
Balladen sogar weiß zu dichten
ein stachliger Stachelbeerstrauch.

***
Die Beeren sind süß und auch sauer –
danach, wann die Hoffnung sie pflückt.
Es gibt wohl kein Glück auf die Dauer,
denn launisch ist unser Geschick…
Im Unterbewußtseinsschrein schlummern
Gedanken, die düster und grau.
Dann weht dir aus nächtlichem Kummer
der Morgen ein sonniges Blau.

          ***
Gewiß ist jenes Stimmungsbild
denn doch zu düster und zu grau.
Es leuchtet rings noch Chlorophyll
und glitzert blauer Morgentau.
Es singen noch die Tannenbäume
im Tann ihr tannengrünes Lied.
Noch träumt der Garten seine Träume,
und auch das Feld der Hoffnung grünt.
So denk, o Mensch, an deine Pflicht!
Denn heute ist’s noch nicht zu spät.
Damit das Chlorophyll uns nicht
für alle Zeit verlorengeht.

             ***
Wenn der Bauer das gütige Feld
im Frühling mit Eifer bestellt,
so dankt es ihm, ohne zu geizen,
im Sommer mit goldenem Weizen.
Der Ackersmann tut, was er kann –
er steht auf dem Feld seinen Mann.
Vor allem wir ihm es verdanken –
dem emsigen, rastlosen Landmann -,
daß reichlich gedeckt unser Tisch,
daß bekömmliches Brot uns erquickt.

             ***
Das Stromnetz der Eintracht
ist ständig intakt:
Es leben und wirken
in enger Gemeinschaft
das Dorf und die Stadt.
Wir nennen es Freundschaft.
Der Arbeiter reicht da
mit innigem Dank
dem fleißigen Landwirt
die schwielige Hand:
Er baut für den Bauern
moderne Traktoren
und Lastkraftwagen,
Beregnungsanlagen
und Erntemaschinen.
Damit auf den Feldern
die Saaten im Frühling
noch üppiger grünen,
was materielle
Voraussetzung ist
für ein glückliches Leben,
wonach alle Menschen
noch immer und ewig
von Rechts wegen streben.

            ***
Doch nicht alles geht glatt
sowohl auf dem Land
als auch hier in der Stadt.
Und schwer ist der Kampf.
Entfernt wird für immer
der grünliche Schimmel –
der Tand des Verschweigens,
der Putz des Verhehlens
der Schorfe und Grinde,
die manchen noch quälen.
Und eingeschränkt wird,
wenn’s auch unliebsam sirrt,
überall reiner Wein:
Was weiß ist, ist weiß;
was schwarz ist, ist schwarz.
So muß es auch sein!
Denn Aufrichtigkeit
         ist nie eine Sünde.

            ***
So manche Abszesse
und eitrige Beulen
(die Alkoholismus,
und grausame Ichsucht,
und Karrierismus;
infame Bestechnung,
Bereicherungsmentalität
und nichtsnutzig-lästiges
Schmarotzertum heißen)
so oft noch verstümmeln
die menschliche Seele.
Ein freches Geschmeiß,
das aus Habgier bereit,
im stillen, allmählich
unser Haus zu zernagen
und zu unterhöhlen.

           ***
Noch ist’s nicht zu spät,
um schnellste Gesundung
der geistigen Umwelt
im Kampf zu erringen.
Und die nötigen Mittel
gegen seelisches Ungewitter
sind längst schon gefunden:
Gerechtigkeit, Wahrheit
(die manchmal auch bitter)
und wirksame Publizität.

         ***
Gerechtigkeit, eile
und sei auf der Hut
und stärke wie immer
den Geist und den Mut,
die Erwartung, den Glauben
der werktät’gen Massen,
weil die ehrlichen Menschen
die Menschlichkeit brauchen
und das Tierische hassen.
Gerechtigkeit, eile
stets vorwärts und ringe
geduldig und kämpfe
um jedwede Seele.
Wo nur möglich, behebe
die Schwächen und Fehler,
bemüh dich und lasse
die Wunden verheilen.
Was gut ist, muß bleiben.

          ***
Doch dort, wo es nötig,
sei Chirurg auch zugleich,
zum Skalpell sogar greif
und schneide heraus
aus dem Bindegewebe
der gesunden Gesellschaft
die Habsuchttumoren,
die Herrschsuchtgeschwüre,
die Schlingpflanzentriebe
des Faulenzerlebens,
die das Volk drangsalieren
und plagen und quälen.
Und schmeiß sie hinaus
aus unserem herrlichen Haus.
Und siehe nicht schwarz!
Bittere Pillen verschreib
als heilender Arzt
allen schwächlichen Wesen.
Damit sie genesen.

            ***
O eilende, stürmische Zeit!
Wir sind stolz auf die Wende
in unserem brausenden Leben.
Und man hat, wie’s so heißt,
ja auch stets seine Sorgen.
Denn wir schmieden und weben
für alle das Allgemeinwohl…
Das strahlende blühweiße Weiß
der Wahrheit und Lauterkeit
ist immer ein lichtes Symbol
im harten und heftigen Kampf
aller aufrechten Menschen
um ein friedliches Morgen
auf unserem blauen Planeten.

                                1987

Selbst mit Hand anlegen

Du billigst die Wende
und möchtest dich selber
daran auch beteiligen,
um etwas zum Besseren
da oder dort zu verändern?
Das will ich begrüßen!
Nur mußt du, mein Lieber,
ich glaub, mit der eigenen
inneren Welt erst beginnen
und schließlich ein Ende
mal machen für immer –
mit den alteingesessenen,
heute so unangemessenen
leidigen Angewohnheiten,
jedes Minus fixierend,
jedes Plus zu bestreiten,
bei Fahrlässigkeiten
auf andere Leute zu deuten
und selbst keinen Finger
für das Beßre zu rühren.

1987

Rastloser Wind

Rastlos weht der blaue Wind…
Lieber Freund, wo eilst du hin?
Schmerzen dir
         wohl nicht die Flügel?
Hat das Wandern denn auch Sinn?
Wirst du es wohl nimmer müde?.

In die weite Welt bestimmt!
Und ich eile nicht vergebens
bald nach Norden,
               bald nach Süden,
Bald nach Osten,
              bald nach Westen.
Frische Luft und Regen sind
       überall beliebte Lieder.
Lebenslust und Segen bring
ich den Menschen immer wieder.
Und am besten
              ist es dann,
wenn ich nirgends lange weile,
    wenn ich frei und ungehemmt
einmal kalt
            und einmal lind
      singend immer weitereile,
Feld und Wald
              mit Kühle labend
bald als Nacht-
           und bald als Abend-,
bald als sanfter Morgenwind.

1986

Trunkenheit

Wir kämpfen gegen Trunksucht.
                        Bravo!
Doch bist du trunken,
       junges Blut, von Liebe,
Dann dreimal: Bravo! Bravo!
                        Bravo!
Ein dreifaches Hoch
       für den innigen Rausch!
Für die Freudetrunkenheit,
                die der Gipfel
allen Lebens auf Erden ist
               und Liebe heißt!
O Sehnsucht, o Traum, o Trost
               aller Menschen,
O Sonne des Seins,
    wie die Seele dich preist!

1986

Weiblichkeit

Bald bebend, bald flatternd
           im wirbelnden Wind,
zerbrechlich und zart
     wie ein sprießender Halm,
für Sang und für Klang
       und für Wärme bestimmt,
die Weiblichkeit strahlt
        wie die Sonne so warm.

Das Grau jeder Zeit
      muß vor Staunen vergehn:
O Anmut, o Zauber
        o weiblicher Scharm!..
O Frauen, bleibt Frauen,
       bleibt edel und schön!
Wie wäre die Welt
         ohne Liebreiz so arm!

1986

Vor der Wende

Der Schnee der Lauterkeit ist blütenweiß.
Und toben ungestüme Wirbelstürme,
die auch bei kaltem Nordwind fieberheiß,
so hilft er deine Träume zu beschirmen.

Der Winter wird zur wärmsten Jahreszeit
(so steht´s geschrieben im Gemütskalender),
wenn dich das Liebesfeuer erst ergreift
im späten regenfarbenen November.

Dein Schicksal hat es anders nicht gewollt.
Und deine Seele steht vor einer Wende
und wartet auf den Frühling sehnsuchtsvoll,
der einzieht mit dem Schneefall im Dezember.

Es fesselt dich die Unerschöpflichkeit
der bunten Welt der menschlichen Gefühle:
Im Winter, da die Gründe tief verschneit,
erklingen hell statt Fröste warme Lieder…

Um zu erglühen ist es nie zu spät…
Um etwas zu gewinnen, mußt du viel verlieren:
Erst dann entdeckst du jenen neuen Weg,
der durch die Kälte führt zu deinem Frühling.

1986

Nächte

Ach, sind die Nächte
so kurz und so lau
und so flachsblütenblau,
wenn man jung und verliebt
und die Schönheit und Anmut
der Liebsten beschirmt
und den Zauber der schlanken
Gestalt im Gedanken
bestaunt und besingt,
wenn die Flamme der Sehnsucht
im Herzen erglüht,
wenn den Glauben es gibt,
es würde dein Kleinod
für tausende Jahre
die Liebe bewahren,
nie würden die Wolken
des Kummers den Himmel
der Seele bedecken.

Ach, sind die Nächte
so rauh und so kalt
und so stumm und so lang,
wenn man grau ist und alt,
wenn der einstige Klang
der Verheißung verklungen,
wenn die Lieder der Zuversicht
alle zu Ende gesungen
und wenn die Erwartung,
die bange, für immer
versiegt und geschwunden…
Oh, dann durchfährt dich
         ein eisiger Schrecken.
Und unendlich lang
     und so qualvoll sind dann
die nächtlichen
          schlaflosen Stunden.

1988

Zweifel der Erle

Steht so müde die Erle,
so erschöpft und so bleich,
dort am schlummernden Teich
und blickt in die Ferne –
hin ins herbstliche Reich
der Träume und schweigt…

Sind es die bunten Blätter
der Widersprüchlichkeit,
die der Wind sacht zerstreut?
Ist es das trübe Wetter
der Unbefriedigtheit,
das ihr Herz umschleicht?..

Oh, sie steht vor der Wende,
gequält von Zweifel erneut,
von innerem Widerstreit.
Und sie nehmen kein Ende…
Doch es reicht noch die Zeit.
Für Freude und Leid.

1987

Sein Vorhaben

Es sind nicht Gott weiß was für Taten.
Er nimmt den Rechen und den Spaten,
um seinen Garten umzugraben,
den Garten seiner Innenwelt,
wo ihm so manches nicht gefällt,
wo ihn die Unkrautstauden plagen,
die er dort selber angepflanzt,
an Ichsucht und an Neid erkrankt…
Es sind nicht Gott weiß was für Taten.
Doch Beßres ist ihm nicht zu raten. 

1988

Rubinhochzeitsfest

O die Jahre!.. Die Jahre verwehen…
Und Johanna und Johann begehen
das Rubinhochzeitsfest ihrer Nähe –
ihrer sprießenden, zweigenden Ehe.

Und geläutert und klar sind die Flammen
des Rubins und der tiefen Gefühle,
weil in Freud und in Leid sie zusammen
seit dem fernen bezaubernden Frühling…

Ja, die Wege der Ehe beginnen
mit dem Grün und dem Blühweiß der Myrte,
die da Sonne und Segen ihr bringen,
wenn mit Treue zum Schwur sie gegürtet.

Doch verwickelt sind oft ihre Wege.
Und es kostet Geduld und viel Mühe,
daß trotz Stürme und Kälte und Regen
ja die Blumen der Hoffnung erblühen…

Und wie gern sie der Tage gedenken,
als die Flur ihrer Träume erblühte!..
Ihre Kinder und Enkel beschenken
sie mit Sträußen aus Wärme und Güte.

Das Rubinrot erleuchtet die Strecke,
die Johanna und Johann geblieben.
Und wenn trübe und rauh mal das Wetter,
erwärmt sie der Hauch ihrer Liebe…

O so strahle, Johanni, und klinge,
wenn zwei Sterne verliebt ineinander,
wenn sich Frühling und Sommer umschlingen,
um zusammen ihr Land zu durchwandern!

1988