Nächte

Ach, sind die Nächte
so kurz und so lau
und so flachsblütenblau,
wenn man jung und verliebt
und die Schönheit und Anmut
der Liebsten beschirmt
und den Zauber der schlanken
Gestalt im Gedanken
bestaunt und besingt,
wenn die Flamme der Sehnsucht
im Herzen erglüht,
wenn den Glauben es gibt,
es würde dein Kleinod
für tausende Jahre
die Liebe bewahren,
nie würden die Wolken
des Kummers den Himmel
der Seele bedecken.

Ach, sind die Nächte
so rauh und so kalt
und so stumm und so lang,
wenn man grau ist und alt,
wenn der einstige Klang
der Verheißung verklungen,
wenn die Lieder der Zuversicht
alle zu Ende gesungen
und wenn die Erwartung,
die bange, für immer
versiegt und geschwunden…
Oh, dann durchfährt dich
         ein eisiger Schrecken.
Und unendlich lang
     und so qualvoll sind dann
die nächtlichen
          schlaflosen Stunden.

1988