Ein vielverzweigter Baum
im weiten Raum
der menschlichen Vernunft
und der Moral
ist das Gewissen.
Es grünt der Baum und strebt,
solang er lebt,
empor zum hellen Licht
der Wahrheit
und der Lauterkeit.
Und seine Wurzeln schöpfen –
zu jeder Zeit
und ohne sich zu schonen –
die Lebenssäfte
aus der humanen Humusschicht
der Traditionen
und der Vätersitten.
Jedoch so manches Mal
vertrocknet und vergilbt
das Chlorophyll
der inn’ren Stimme
des vielverzweigten Baumes
vor dem sogar
die Rücksichtslosigkeit
sich dann und wann verneigt.
Dann kommen angeschlichen
die Gewissensbisse.
Und selbst das Schlimme
wird noch schlimmer.
Und unverwandt
und nicht mehr sanft
und nicht mehr weich
ist dann im Florenreich
der Gegensätze
und der Widersprüche
das sanfte Ruhekissen,
das ihm, dem Baum,
vermacht für immer
die schönen Bräuche
und die guten Sitten
und die Gebote der Moral…
Noch gut, wenn er vermag –
der heimgesuchte Baum -,
sich selber aus dem Schlaf,
aus seinem bösen Traum
zum Wolle aller
wieder wachzurütteln.
1988
