Verzeihe mir, Allegorie,
wenn aus meinen Gedichten
die Linde verschwindet,
die so oft ich besungen!
Nur verwickelte Wirklichkeit:
Von den wütenden Stürmen
der trostlosen Zeit
halb zu Tode gepeitscht,
halb zugrunde gerichtet,
von Kummer gebeugt,
bedrückt und entrückt,
steht sie am Rande des Weges,
die Linde, allein und verlassen
und kann sich nicht fassen…
Die Depression der Bedrückten
steigert sich widerstandslos
bis zur Melancholie:
Verstoßen?.. Auf immer?..
So sagt mir, warum und wofür?..
Erbarme, erbarme dich, Himmel!..
Denn die Niedergeschlagenheit
und die Angst des Alleinseins
verstümmeln – ohne Rücksicht
und Mitleid – das Lebensgefühl
der schmachtenden Linde…
Und die Tage sind düster und öd,
und die Nächte, die langen,
sind schlaflos-verdreht,
wenn der letzte Hoffnungsfunken
längst hinabgesunken ins Dunkel
der Leere und Trostlosigkeit…
So lange verpönt und verschmäht!
Doch vielleicht, ja, vielleicht
wird ein Ausweg sich finden
aus der Wirrnis der Disharmonie,
wo die leidende Linde
vor Gram und vor Kummer vergeht,
damit sie allmählich gesundet
und des irdischen Lebens
sich allendlich noch freut?
18. Mai 1990
