Quälende Zweifel

        Maria Henning gewidmet

Ach, liebe Frau Henning,
wie schön, daß Sie glauben
ans Aufblühen
        unserer Literatur!
Drum möcht´ ich bekennen:
Wenn wir uns berauben –
der Hoffnung, der letzten,
     verschwindet die Spur

des Guten und Schönen,
das unsere Ahnen
uns gern hinterlassen
       als Lebensweisheit,
damit unser Sehnen
sich Wege wird bahnen
zu Taten, die edel
       zu jedweder Zeit…

Doch dumpfe Gefühle
bedrängen mich heimlich,
warum uns die Gnade
          so lange umgeht:
Ob unsere Lieder
und unsere Träume
die Herzlosigkeit
  der Verneninung versteht?

Drum quälen mich Zweifel:
Wie lange noch leiden?
Es bleiben bis heute
   die Deutschen verwaist.
Und wird uns erreichen
allendlich die Freude,
da unsere Heimat
     willkommen uns heißt?

                                12. Juni 1990