Des Menschen Wille…

Es schreibt sich so leicht
             nach Mitternacht.
Wenn niemand mehr wacht.
Wenn im wohnlichen Heim
       nur das Heimchen allein
hinterm russischen Ofen
     in seinem privaten Gemach
sein Nachtliedchen zirpt.
Wie wohltuend und wie
                    ermunternd
sein Flügelgesang
    auf meine Innenwelt wirkt!
Und nach und nach
             ahm ich ihm nach.
Und aus dem Jubel der Stille
    steigen empor
             die ersten Zeilen
und heben sich ab vom Dunkel
        der schlaflosen Nacht.
Und ich zünde
die Petroleumlampe schnell an
und summe ganz leise
                 und schreibe.
Und wandle
         am nächtlichen Himmel
die Milchstraße selig entlang.
Und in ihrem matten
                Silberschimmer
fängt mein Stern
               zu leuchten an.
Ich bin…
     auf der richtigen Spur!..
Vielleicht aber
             ist´s ja auch nur
die Hypertrophie
             der Leidenschaft?
Auch verdreht ist ein bißchen
das Bild
      durch die Anachronismen.
Denn einen russischen Ofen
  gibt es ja heute nicht mehr.
Und eine Petroleumlampe
         zu finden ist schwer.
Auch der Singsang
                 des Heimchens
ist wieder mal ausgedacht.
Und selbst die Sängerin Grille
ist längst schon ausgewandert
und wohnt wohl
              irgendwo anders.
Vielleicht auf dem Lande.
Vielleicht…
Doch wie es im Leben so geht,
solange die Welt
                schon besteht:
            Des Menschen Wille
ist ein Himmelreich.

1987