Kalenderblätter
Ich schicke dir Sonette.
Sie trösten dich vielleicht.
Es sind Kalenderblätter,
die meine Ehrfurcht schreibt…
Ja, rote Rosen blühten
im Reich der Zweisamkeit.
Und die Begierde glühte
vor Freudetrunkenheit…
Sind jetzt die grünen Zweige
der Sehnsüchte verdorrt?
So breche ich ihr Schweigen
mit einem Zauberwort:
Und jede Zeile singt.
Damit ihr Weh verklingt.
Dank
Mein Herz hat sie geschrieben:
Vergissmeinnicht-Gedichte.
Du hast sie streng gerichtet:
Sie sind dir fremd geblieben…
Jetzt sammelst du die Zeilen
und spießt sie stumm auf Platten
und trocknest sie im Schatten
aus lauter Langeweile…
Auch das ist schon ein Dank:
So bleiben sie erhalten.
Trotz ihrer Kreuzigung…
Dann nehm ich deine Hand.
In meine. Und es waltet
Versöhnung wiederum.
Glaube
Ein helles Moment:
Sie blieben zusammen,
obwohl die Verdammung
brutal sie getrennt…
O innere Pflicht:
Auch heut, da sie alt sind,
die Tage oft kalt sind,
verzagen sie nicht:
Sie glauben der Stimme
der nahen Erlösung,
die ihnen erscheint. –
Es gibt jenen Himmel,
der bald ihre Seelen
für immer vereint.
Verkannt
Die Jahre warten nicht.
Sie haben Flügel.
So manches Traumgesicht
muss unterliegen.
Vernimm den Augenblick,
solang sie offen –
die Tür zum Liebesglück:
Sie wird geschlossen.
Wenn sie verriegelt ist
danach von innen,
so bist du übel dran.
Dann hilft dir keine List.
Und kein Gewimmer:
Es bleibt dein Traum verkannt.
Veilchen
Sind die Sinne müde?
Ist ihr Weg verschneit?
Wollen sie sich wieder
fügen ohne Streit?
Ohne Aufbegehren?
Ohne Seelenkampf?
Ohne zu erklären,
wer sie niederstampft?..
Ach, die stille Liebe
ist ein zartes Veilchen,
das vor Gram verblüht:
Leidet, heimlich fiebernd
nach dem Gnadenzeichen,
das im All verglüht.
Gestirne
Der Mond und die Sterne
sind deine Begleiter.
Sie stimmen dich heiter.
Trotz endloser Ferne.
Du deutest ihr Funkeln
als Wärme und Güte,
die heut dich behüten
vor Unlust und Dunkel…
Und wenn die Gestirne,
die schimmern und schillern
am nächtlichen Himmel,
dich später verwirren,
fühlst du ihre Kälte,
die dich überwältigt.
Ohne Wärme?
Die orphischen Töne
verhallen allmählich.
Nun muss sich die Seele
an Stille gewöhnen.
An Stille, die bohrend
die Sinne durchflutet
und fragend vermutet:
Ist alles verloren?
Erdachte Gefühle?
Was kosten die Worte,
mit Feuer gesprochen?
Verwelken? Im Frühling?
Sich ewig nun härmen?
Allein? Ohne Wärme?
Zügelung?
Das Schicksal weiß so manches Mal
sich nicht zu helfen.
Es stöhnt und weint verwirrt.
Und einen Ausweg…
Ach, den findet es nur selten,
vom rechten abgeirrt…
Die bösen Stürme fragen nicht
nach deiner Stimmung.
Sie toben teufelswild.
Die Güte ist bemüht,
die Schmerzen zu bezwingen:
Sie schont dich sanft und mild…
Und wenn die Stürme
sich allmählich wieder legen
und die Entbehrungen der Seele
wieder schwinden,
bist du erstaunt, warum
dich ohne jeden Grund
so oft umgeht der Segen,
wo andere so leicht
bei Sturmwind Obdach finden.
Verdiente Zügelung?
Einsamkeit
Orpheus, greife in die Saiten,
dass dein hohes Lied erschallt,
dass in allen, allen Breiten
deine Stimme widerhallt.
Ach, so viele Frauen leiden
unterm Frost der Einsamkeit:
Wo die Laster vorentscheiden,
fehlt die Wohlgewogenheit.
Schenke ihnen deine Lieder –
Lieder der Barmherzigkeit:
Und so manche finden wieder
ihren Weg trotz Gram und Leid.
Rette die verschmähten Seelen,
die sich durch das Leben quälen!
Lebensquell
Sehnsucht, Schwester der Gefühle,
die wir Liebe nennen…
Oh, sie kann die Wunden kühlen,
die im Herzen brennen.
Dort, wo ihre Blumen knospen,
triumphiert die Freude.
Und es grünt die stolze Hoffnung
auf der Flur der Träume…
Mensch, errichte Monumente,
die die Liebe preisen
auf dem Erdenrund:
Ohne ihre Sakramente –
Oh, Natur, du weise! –
deine Welt verstummt.
Den 30. Januar 1991
