Statt freie Rhythmen schreibe ich dir Stanzen,
die heute längst schon aus der Mode sind.
Denn alte Sorgen machen mir Gedanken,
was auch die Form der Aussage bestimmt…
Wenn ein Paar Reime aus der Reihe tanzen,
so ist wohl der Verlust nicht gar zu schlimm.
Die Stanzen sind, o Liebste, nur ein Zeichen,
um meinen Jugendtraum zu unterstreichen.
Trennung
Wir waren beide jung und unerfahren.
Das Reich der Träume war unendlich groß…
Ich wollte mein Gefühl dir offenbaren,
doch deine Augen schwiegen hoffnungslos…
Dann kamen jene unmenschlichen Jahre…
Wer findet in der Trennung seinen Trost?!.
Jedoch die Jahre… Ach, die Jahre eilen.
Ob sie die Wunden jener Trennung heilen?
Schweigen
Du fragtest nicht danach, was mich bedrückte.
Du fühltest nicht, wie meine Seele litt.
Dein hoher Gang, der mich so oft entzückte,
verhalte wie ein leiser Tangoschritt…
Wenn deinen Mund ein feines Lächeln schmückte,
so nahm es meinen Liebeskummer mit…
Und wenn nach Jahren ich darüber schreibe,
so heißt’s, dass du gebrochen hast dein Schweigen.
Schicksal
Es war der letzte Tag. Sie mussten scheiden.
Und was für Träume hatten sie gehegt!
Der schwere Abschied war nicht zu vermeiden.
Vom Schicksal war er ihnen auferlegt.
Sie ahnten nicht, was alles sie erleiden
noch mussten auf dem dornenreichen Weg:
Die Liebe strebt danach, ihr Glück zu schmieden,
doch weit nicht immer ist es ihr beschieden.
Gedächtnis
Erinnerst dich daran, was längs vergangen?
Ach nein, mein Herz, ich tadele dich nicht.
Du bist so oft in einem Rausch befangen,
wenn schon dein Märchenreich zusammenbricht,
und übersiehst die grelle Feuerflamme,
die gierig an der müden Seele frisst…
Sind auch nicht alle Fäden zu entwirren,
doch das Gedächtnis lässt sich nicht beirren.
Wehmut
Wenn warme Farben im Gedächtnis glühen
und an die Tür der Glaube leise klopft
und bunt die Fluren der Verheißung blühen,
bedeutet es, dass deine Seele hofft,
dass die Vermutungen vorüberziehen,
die deinen Himmel trübten viel zu oft…
Und frische Winde werden wieder wehen,
und deine stille Wehmut wird vergehen.
Schlechter Rat
Ich soll der Teilnahmslosigkeit vergeben,
auch wenn sie an den Rand mich morgen bringt?
Es sei auch ohnehin zu schwer zu leben?
Und Mitgefühl und Mitleid seien blind?
Es siege nur das Anpassungsvermögen?
Das sei der Weg, der jeden Trotz bezwingt?..
Ich kann mich diesem Laster nicht verschreiben.
Drum soll mir dieser Rat gestohlen bleiben.
Gnade
Es ist nicht leicht, die Wehmut zu verhüllen.
Dein Augenpaar verrät den Liebeskummer…
Es hofft dein Herz: Warum dein Durst nicht stillen?
Und findet in der Öde einen Brunnen,
der hier gebaut der Glaube deinetwillen,
damit die Schmerzen nach und nach verstummen…
So trinke, trink und danke jener Gnade,
die dich zu diesem Freudenfest geladen.
Entheiligung
Die Tränen des Gezweiges sind so bitter,
wenn über Nacht die Bäume sich entlauben…
Es kam ganz unverhofft das Ungewitter,
um dich der Seelenruhe zu berauben:
Die Stürme der Entheiligung erschüttern
sogar den tiefen, inbrünstigen Glauben…
Und dennoch, Seele, sollst du wieder hoffen,
auch wenn das Missgeschick dich tief getroffen.
Letzte Runde
In meiner Seele wallen graue Nebel,
die vor Besorgnis dort erneut sich ballen…
Doch will ich meiner Leidenschaft vergeben,
wenn meine Stanzen, Liebste, dir gefallen…
Es hatte seinen Sinn – das Erdenleben,
muss auch sein Klang dereinst im All verhallen…
Verzage nicht, mein Herz, wenn deine Stunden
auch schon begonnen – ihre letzte Runde.
9. Februar 1991
