Enttäuschte Stanzen

Humanitäre Hilfe

Verflixte Wünsche, die sich nie erfüllten:
Mit Pusteblumen waren sie besternt…
Wie ist der Sumpf des Elends zu entschilfen,
wo nie das Wirtschaften wir recht gelernt?..
Gekommen ist humanitäre Hilfe.
Aus Deutschland, das so weit von uns entfernt…
Und hilft uns diese Hilfe – uns Verrannten,
die wir so lang die Menschlichkeit verdammten?

Publizität

Wir mußten sie jahrzehntelang vermissen –
die eingekerkerte Publizität.
Dann wurde sie der Dunkelheit entrissen.
Wir fragten nun verwirrt: Warum so spät?..
Und quälen uns denn jetzt Gewissensbisse?
Na, wie im Leben es so manchmal geht:
Obwohl sie sich bis heut bewegt an Krücken,
ist man bemüht, sie wieder zu verschicken.

Roter Wein

Gepredigt wurde Wein, getrunken – Wasser:
Die lichte Zukunft, schien so nah zu sein…
Der Traum begann allmählich zu verblassen.
Und es verschwand die letzte Flasche Wein.
Jetzt sitzen wir im breiigen Schlamassel
verblüfft und wissen weder aus noch ein…
Wird uns die Ideologie nun füttern,
die uns mit ihrem roten Wein umflirrte?

Traurige Geschichten

Das Volk? Das Volk… Es wird so oft mißhandelt.
Das Wörtchen Volk – es wird so oft mißbraucht.
In seinem Namen quält man es zuschanden
und liefert es brutal der Willkür aus.
Und wer es in Kanonenfutter schlau verwandelt,
der ist von seinem Pyrrhussieg berauscht…
Es gibt so viele traurige Geschichten,
die von Gewalt und Genozid berichten.

Die Grünen

Es gibt so viele junge grüne Pflanzen.
Sie streben ach so gern zum Licht empor.
Doch gibt es Gifte, die das Grün zertpampeln
und frech verwandeln dann in Sumpf und Moor…
Doch gibt es auch in solchen Fällen Chancen:
Die Zügigkeit des Guten herrscht noch vor.
Wenn tüchtig sich ins Zeug die Grünen legen,
kann froh das junge Grün zum Lichte streben.

Schwarzer Markt?

Die Umgestaltungsgärten sollten blühen.
Die Viehzucht sollte auch ihr Bestes tun…
Und wo ist eure Butter, braune Kühe?
Und wo sind deine Eier, buntes Huhn?
Ihr wolltet euch doch alle sehr bemühen
und nicht nur gackern ohne Grund und muh’n?..
Wird alles auf den schwarzen Markt verschoben?..
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!

Geldmission

Man druckte Tag und Nacht die schönen Scheine
(Die Schliche nennt man Geldmission!).
Die tiefe Armut sollten sie verneinen
(O großartige Zukunftsvision!)…
Die Hundertrubelscheine mußten weinen,
die Fünfzigrubelnoten auch – zum Hohn!..
Ob auch die Maffia dadurch gelitten,
bleibt, liebe Leute, lange noch umstritten.

Planwirtschaft

Wir stehen täglich an, wir stehen Schlange.
Doch gibt es in der Bude nichts zu kaufen.
Die Zeit der Rosabrillen ist vergangen.
Man möchte förmlich sich die Haare raufen!
Was kann ein armer Schlucker noch verlangen?
Auch keinen Wodka, um sich zu besaufen…
Warum, warum?.. So fragen wir erschüttert.
Hat nicht die Planwirtschaft das Land zerrüttet?

Schwierige Entscheidung

Nicht murren und nicht stöhnen? Wieder schweigen?
Wir Rußlanddeutschen stehen vor der Wahl:
Hinüber? Oder Demut stumm bezeigen,
um wieder zu ertragen Schmerz und Qual?
Die Qual der Heimatlosen und der Geisel.
Und wieder ohne jeden Hoffnungsstrahl…
Auch der Kongreß kann leider nichts entscheiden,
wenn wir entrechtet und vertrieben bleiben.

Bedrängnis

Enttäuschte Stanzen, die die Seele plagen.
Sie suchen einen Hort, um Ruh zu finden…
Was helfen, stille Heimweh, deine Klagen?
Und kann die Rohheit deinen Gram empfinden?
Wo die Gerechtigkeit ans Kreuz geschlagen,
ist jegliches Verständnis längst erblindet.
Und wer erhört die Stimme meiner Stanzen?
Wer bricht für die Bedrängten eine Lanze?

 13. Februar 1991