KLIPPEN

Mein Poltergeist

Wenn in der Nacht
mein Poltergeist
Gepolter macht
und mich daher
nicht schlafen lässt,
so halte ich mich fest
an dem Gedanken,
dass er gekommen sei
und hier verweile,
um mich zu laben
mit einer neuen Zeile
für ein Gedicht,
das ich noch nicht
geschrieben habe.

Einst und jetzt

Ich habe das Buchstabieren
nach einer deutschen Fibel
mit Fleiß und Schweiß gelernt:
S, e, p = Sep; t, e, m = tem;
b, e, r = ber: September!..
Das war ein Märchenreich,
so kunterbunt gefärbt!..
Und jetzt in meinem Herbst?
Was sagt mir mein Kalender?
Was macht mit mir die Zeit?
Und was ist mir geblieben?
Nur triste Rauhigkeit?

Ein bisschen Wärme

Ich sitze am Kamin
und schaue in die Flammen,
die nicht mehr ungestüm
wie einst empor zum Himmel
der inneren Unrast züngeln.
Es ist ein leises Feuer
der wärmenden Erinnerung
daran, was längst vergangen.
Nicht viel. Doch immerhin:
Auch das hat seinen Sinn.
Ein bißchen Wärme tut
der müden Seele gut.

Gnadenflur

Ja, Woldemar Spaar,
was in Gnadenflur war,
daran erinnerst du dich
auch bis heute gewiß:
mehr Ungunst als Gnade,
mehr Sorgen als Freuden,
mehr Armut als Gaben…
Doch von jedem Neumond
ward gehofft voller Liebe,
daß die trockenen Fluren
allendlich ergrünen,
um zu Wohl zu gelangen:
Denn es war deine Heimat.
Ihr wolltest du dienen!..
Dann kam die Verdammung.

Durst

Der Tag ist verstrichen,
verklungen sein Klang.
Und habe ich wieder
zu wenig geschuftet?
Und bin ich am Abend
denn wieder zu durstig?
Weiß ich doch sicher:
Ja, auskommen muß ich
damit, was ich habe,
damit, was ich kann.

Vom Gaul zum Roß

Unter einer Decke
stecken die Krakeeler.
Und in allen Ecken
wollen sie befehlen.

Allerhand Methoden
werden unterbreitet…
Ist der Gaul marode,
hilft auch keine Peitsche.

Willst du ihn bemuttern,
höre auf zu johlen.
Gib ihm lieber Futter:
soll er sich erholen!

Denn: Wofür ihn strafen?
Und wofür ihn hassen?
Gib ihm Heu und Hafer,
gib ihm frisches Wasser.

Und aus dieser Mähre
wird ein Roß geboren.
Das verschafft dir Ehre.
Gib ihm dann die Sporen.

Von Anbeginn?

So viel Gerissenheit.
Gewaltverbrechen.
Ein Widersinn.
Ein Selbstberauben.
Und ist die Grausamkeit
denn eingerechnet
von Anbeginn?
Ich kann’s nicht glauben.

Der richtige Weg

So viel ist verdreht,
so viel will nicht stimmen.
Wenn alle den Weg
der Menschlichkeit gingen,
dann brauchten wir nicht
zu stöhnen und weinen,
dann würde das Licht
der Zuversicht scheinen.

Reime

Ja, Welten entstehen.
Und Welten verschwinden.
Ein Kommen-und-Gehen
der ewigen Stürme
im Reich deiner Träume
und bangen Gefühle,
die alle sich reimen
auf Sehnsucht und Liebe.

Läuterung

Ein Weg ohne Dornen
ist dir nicht geebnet:
Die Welt ist verworren,
verwickelt das Leben.

Dein Schiff muß da scheitern
an Riffen und Klippen…
Dein Leid wird dich läutern,
wenn schwer du gelitten…

So hoffe und bitte,
damit dich die Güte
bei Sturm und Gewitter
vor Unheil behüte.

                       25. Februar 1991