Der Mensch will leben

Zickzackweg

Freie Rhythmen,
freies Denken,
freie Schriften,
freie Opponenten
haben es nicht leicht
auf dem Zickzackweg
zum Quell der Öffentlichkeit.
Denn die List und Lüge
spinnen frech Intrigen,
um die schlichte Wahrheit
und den kühnen Freimut
wieder zu erdrosseln
und ihre grünen Saaten
methodisch zu vernichten.

Willkommen!

Wenn die Mucker gackern,
dass die Hühner lachen,
ist das Brezelbacken
eine wahre Wonne:

Butter, Mehl und Eier
(Teig mit Dill bestreuen!)
und ein leichtes Feuer…
Heuchler, seid willkommen!

Wettbewerb

Es klingt vielleicht
ein bisschen derb:
Ich liege, nein, ich stehe –
als alter Knacker! –
auf meinem wüsten Acker
im Sozwettbewerb
mit meinem eignen Schatten,
was er bis heut
gewiss nicht wusste.
Ich fuchtele und johle
und will ihn überholen,
was mir wohl nie gelingt.
Denn mein Gehirn
ist schon zu sehr verkrustet.
Doch immerhin:
Ich strampele und warte
(auch spät ist nie zu spät!)
auf den Entwickdungssprung,
wo oft die Quantität
zur Qualität ja übergeht.

Gespenst

Es ist eine schwere Zeit,
es ist ein schwerer Weg:
Selbst der Barmherzigkeit
wird Steuer auferlegt.

Was geht der Indolenz
das Leid des Alters an?!
Sie ist ein Schreckgespenst,
die Angst nur bringen kann.

Verbrechen

Was konnte sie gebären –
die politische Impotenz
des Stalinschen Experiments?
Nur nebliches Versprechen,
Verwüstung und Zerstörung,
nur Willkür und Verbrechen…
Und sind wir jetzt gescheiter
nach all den Schändlichkeiten?

Gaukelspiel

Es hieß so schön, man würde
das Kind schon schaukeln…
Es wurden der Vernunft
die lichten Zukunftsbilder
ganz rosafarben vorgegaukelt,
damit den Quatsch sie glaubt…
Jetzt steckt das Kind im Sumpf,
des Gaukelspiels beraubt…
Wo wird es Zuflucht finden,
um seine Qual zu lindern?

Lebenslänglich

O kümmerliche Existenz,
es will der Mensch auch leben,
solange er auf Erden lebt!
Das ist die einfachste Tendenz,
die von Geburt gegeben
und lebenslänglich uns bewegt.
Bis zur Verzweiflung es uns bringt,
wenn das so selten uns gelingt.

Ohne Rückhalt

Unser Deutschtum
muß versiegen.
Längst verschüttet
ist sein Quell…
Ach, und wir versuchen,
selbst uns vorzuspiegeln,
daß es einen Ausweg
heut noch gäbe,
um die warme Quelle
wieder freizulegen…
Doch keine hohe Stelle
will uns unterstützen.
Und es hilft kein Bitten,
kein Wehschrei, kein Appell.

Ungewollt

Wenn die Zeilen weinen
und nach Atem ringen,
müssen ihre Reime
ungewollt verklingen.

Glaube

Sind heut meine Träume
verbrannt in den Flammen
der Angst vor der Kälte
des sinnlosen Lebens,
so häufle ich morgen
die fahlgraue Asche
zusammen und säe sie aus
auf den harrenden Fluren
der täglichen Mühen,
daß wieder die Blumen
des Glaubens ans Gute
trotz Kummer und Sorgen
für dich und für mich
und für alle erblühen.

6. März 1991