Dahlien

Amalia, die Dahlien
     (Symbole deiner Träume,
die für den Wohlklang
      heut noch schwärmen!),
die du in deinem Mai
im Garten deines Mitgefühls
für die Verstoßenen
     so liebevoll gezüchtet,
damit dann ihre Sonnen
mit ihren hellen Strahlen,
     die immer voller Wonne,
im Sommer und im Herbst
die Innenwelt
     der längst Vereinsamten
erleuchten würden
              und erwärmen –
sie waren der Verachtung
   und Willkür preisgegeben:
Es rangen die Bedrängten
   umsonst ums nackte Leben.

Und deine Lieblingsblumen
sind stumm und schüchtern,
       verlegen und befangen
und heiße Tränen weinend
     vor Kummer eingegangen,
von scharfen Repressalien
verstümmelt und zertrampelt
  und skurpellos vernichtet:
Die Blumen wären schädlich
für die verdammten Sklaven.

          * * *
Das war vor vielen Jahren.
Doch offen sind die Wunden:
    Es stöhnen jene Dahlien,
die ihren frühen Tod
im Sumpf und Schnee und Eis
der Grausamkeit
   der unmenschlichen Zeit –
du, böser Geist! – gefunden.

                             15. November 1990