Vom Grün bis zum Gold

Der Weg der Ehe beginnt
in euerem Frühling
mit der ersten Hochzeit –
              der grünen.
Mit glückverheißendem Hoch
auf die Jungvermählten
die Hochzeitsfeier
        ihren Anfang nimmt.
Und eine Stunde wohl später
eröffnet das Brautpaar –
die Braut, hochbeglückt,
im weißen Hochzeitskleid,
im Myrtenkranz
und im blühweißen Schleier,
der Bräutigam geschmückt
mit dem Myrtensträußchen –
den ersten Hochzeitstanz…

Dann eilen vorüber
gleich hintereinander
in Eintracht und Liebe
die baumwollene Hochzeit
und die papierne
und die hölzerne auch
(so will es der Brauch).
Denkt man dabei
schon an teuere Möbel
als Ehesicherungshebel?
Oder meint man damit
eine hölzerne Brücke,
die zu schaukeln beginnt,
wenn einen Fehltritt
              man tut?..
Und ihr fragt voller Mut:
„Wird es uns glücken?“
Denn beim Überlegen,
        dem analytischen,
stellt’s sich heraus –
mit sechseinhalb Jahren
           Eheerfahrung
steht ihr bereits
      vor der kritischen.

Drum haltet die Ohren steif!
Umschlingt euch fest
       in Freud und in Leid!
Ist die kritische erreicht
ohne Krise,
so liegt nicht mehr weit –
über die kupferne
und über die blecherne
hellhörig-tapfer hinweg –
die blühende sonnige Wiese
mit Blumen und Kindern,
die neu eure Liebe entzünden,
die glückselig lächelnde,
     freudig bestechende
Ro – sen – hoch – zeit!..

Von Stufe zu Stufe
euch vorwärts dann rufen
die Nickel-, die gläserne
und die Porzellanhochzeit
(Geschirr aus Nickel,
      Kristall, Porzellan
deutet als Geschenke
     die Hochachtung an)…

Und bald
ist ein Vierteljahrhundert
eurer Ehe geschwunden,
und ihr lächelt verwundert:
Auf edlen Apfelschimmeln –
mit Glöckchen am Bügel,
die silberhell klingen, –
kommt stolz dort der Tag
der Silberhochzeit
       heran schon gejagt…
Ein Silberkranz schmückt nun
das Haar der Silberbraut…
Und unter dem Festesjubel
haucht ihr euch zu, denn
einander bewegt und vertraut,
daß eure Liebe
         wie in der Jugend
zärtlich und innig geblieben…

Drauf werden aufs neue
die Perlen-, die Leinwand-
und die Aluminiumhochzeit
euch herzlich erfreuen.
Und über dem 40. Ehegedenktag,
der Rubinhochzeit, strahlt,
erhaben und tiefrot flammend,
als Symbol eures Glücks –
                   der Rubin.
Und klar und geläutert
       wie sein stilles Feuer
eure Herzen in Liebe glühn!..

Und in fünfzig Jahren
eurer glücklichen Ehe
hat sich das Grün der Myrte
im ewigen Kommen und Gehen
der Zeit in Gold verwandelt:
All eure Kinder und Enkel,
die Verwandten und Freunde
treffen nun ein
zur goldenen Hochzeit!
Und die große Ehrerbietung
im Herbst eures Lebens
erwärmt eure Herzen
wie Sonnenschein:
Ihr seid nicht vergebens
in Freud und Leid
                  zusammen
den langen, weiten Weg
               gegangen!..

              ***
Möge leuchten der Stern
der Langlebigkeit!
Und ich wünsche euch gern:
Am Leben euch freut
auch bis zur diamantenen,
bis zur eisernen,
                steinernen,
bis zur Gnadenhochzeit,
und, wenn’s euch vergönnt ist,
auch bis zur … brillantenen!

                         11. Oktober 1984