Wie bunt ist die Welt!

      (Zyklus)

Am Morgen

Es hat jedes Wesen ja seinen Instinkt:
Am Morgen das Leben und Treiben beginnt:
Die kunterbunte Welt ist erwacht
(Nachdem in der Nacht
            sie ein Schläfchen gemacht):
Die Ameisen, Bienchen und Meisen
(und wie sie da alle noch heißen) –
sie gucken verschmitzt
                aus dem traulichen Haus:
Dann geht es ans Werk –
                   bis zur Sonne hinauf!

Selige Stunden

Die Wolken verwundern
sich, freuen sich wieder:
Sein Glück hat gefunden –
nach Tagen, so trüben, –
der blühende Flieder…
Sie lächeln zufrieden:
„O selige Stunden!“
und – ziehen vorüber.

Rentner

Ein Ruheständler bin ich nun
und habe meine Ruh:
Hab alle Hände voll zu tun:
Drauf los! Pack an! Greif zu!

So geht es nun tagaus, tagein:
Ich habe meine Ruh!..
Und könnt‘ es, sagt mir, anders sein?
Ich stöhnte dann: Wozu?!

Muse

Zwar ziemt es sich nicht, wie´s mir scheint,
doch wenn ein Satz da mal ungrammatisch, Kollege,
so kann man – poetisch – noch immer weiterleben.
Verlernst du aber allmählich das Sehen und Hören,
so ist es gewiss schon der Anfang der Leere.
Du hoffst, noch weiter zu schreiben, mein Freund?
Scharfsichtig bleibe, feinhörig, feinfühlig –
und die Muse wie früher es gut mit dir meint.

Zeichen

Das Ausrufezeichen versucht,
den Sinn seines Seins zu ergründen:
Es stehe in jedwedem Buch,
und anderswo sei es zu finden…

So sieh auf den Grund, den du prägst:
Dein Wirken ist wunschtraumverbunden;
Verantwortung selber du trägst,
ob Anklang die Worte gefunden.

Daumendreher

Geschniegelt-gebügelt, ein Schlingel
durch die Straßen des Dorfes stolziert.
Die Empörung erhebt ihre Stimme:
Was hat er im Leben vollführt?!

Rings arbeitet man und errichtet
das Gebäude der Zukunft bereits.
Er faulenzt und tut noch gewichtig
und weiß nicht, was Lebenszweck heißt.

Dein Lied

Wenn Sonnenlicht durch Wolken bricht,
das Herz so wohl sich fühlt…
Verpasse deine Träume nicht,
dein blaues Sternenlied.

Die Zukunft klopft an deine Tür.
Mach auf! Lass sie herein!
Sie wird geschickt gestalten hier
das ewig junge Sein.

Probleme

Probleme, Probleme, Probleme…
Ob sie das Gemüt nicht verwöhnen?
So daß, statt zu handeln, wir stöhnen,
bereit, statt zu geben – zu nehmen.

Probleme uns täglich umschwirren:
Sie scheppern und klappern und klirren.
Wir müssen sie trotzdem entwirren
und dürfen dabei uns nicht irren.

Stimmen

Der Jambus eilt empor zu neuen Höhen
und singt und ringt und hegt die Hoffnung stets,
daß er vermag, das Dunkel zu verwehen,
das noch verfinstert seinen weiten Weg.

Und sonnenhell die Glockenklänge klingen:
Sein Lied die heut noch Schmachtenden erhebt.
Drum greifen ein – rings Millionen Stimmen,
von Sorgenlast und Zuversicht bewegt.

1986