Die Ruhe des Gewissens

Die Tage der Verheißung werden kürzer.
Geblieben ist dir nur ein Stückchen Weg.
Bis an den Rand, wo in die Tiefe stürzen
all die Erwartungen, die du gehegt.

Es ging so mancher Wunschtraum
                          in die Brüche.
Ob du den hohen Einsatz
                       selber je gewagt?
Noch gärt in dir die Pein
                der tiefen Widersprüche.
Ob du das rechte Wort
       am rechten Ort
           auch immer laut genug gesagt?

Es gab so manches schwere Ungewitter
        in jener Zeit, die du durchlebt.
Doch nicht nur du allein –
        Millionen haben schwer gelitten.
Ob ihre großen Qualen
                und ihre schweren Sorgen
auch dir sich auf die Seele
                    immer schwer gelegt?

Die Welt ist ach so bunt,
               und kunterbunt das Leben,
und vieles bleibt umstritten
auch dann, wenn wir mal nicht mehr sind.
Und wenn es heute uns gelingt,
auch nur ein bißchen Gutes
beizusteuern
           für das ersehnte frohe Morgen
all derer,
        die das Jahr Zweitausend feiern,
so haben wir verdient im Wirbelwind
          der schicksalsschweren Jahre –
auch wenn wir längst im kühlen Grabe –
die Ruhe des Gewissens.

1987