Der Rabenvater

Warum ist sein Gesicht zerknittert,
die bleiche Stirn so tief zerfurcht,
sein ganzes Äußeres verwittert-
wie von den Winden, durch und durch.
Noch trüber als das trübste Wetter
ist aber seine Innenwelt:
Der Sturm reißt ab die letzten Blätter
des frühen Herbstes – welk und gelb.
Verzweifelte Gedanken quälen
sein viel zu früh ergrautes Haupt:
Es liegt ihm schwer auf seiner Seele,
daß er sich selber einst beraubt,
als Frau und Kinder er verlassen,
um sorglos durch die Welt zu gehn,
um Wunderblumen zu erhaschen
und Freude im Vorübergehn.
Jetzt fühlt er rings sich überflüssig,
vergessen und – wie nie – allein.
Des Wanderlebens überdrüssig,
begäbe er sich gern nun heim:
Ob denn die Seinigen verstünden,
daß nunmehr alles er bereut?
Ob sie vergäßen – Frau und Kinder –
das ihnen zugefügte Leid?..
Vielleicht…
Vielleicht auch all die Tränen,
die deine Frau so oft geweint?
Und auch die Träume deiner Söhne,
die von dem Vater sie geträumt?
Den großen Kummer deiner Tochter,
der heute noch ihr Herz bedrückt?
Die Sträuße, die sie dir geflochten
als Kind, solange sie noch hoffte,
ihr Vater käme bald zurück?..

1984