Der Glaube der Erle

In fröstelnder Einsamkeit
     schmiegt sich die Erle
vertraulich des Nachts
        an die rissige Wand
des Ufers, das selber
    entbehrt nun die Wärme,
mit der ihm
          der Sommertag
          reichte die Hand.
Umhüllt mit dem Dunkel
    der herbstlichen Nacht,
verwandeln
      sich ihre Gedanken
                 in Träume,
in denen aufs neue
       in herrlicher Pracht
die goldenen Sterne
  der Märchenwelt scheinen:
Ein Schillern und Funkeln
     am nächtlichen Himmel.
Ein Säuseln und Raunen
        am rieselnden Bach.
Und neue Gefühle
       verwirren die Sinne:
Die Sehnsucht
      nach Zweisamkeit
           hat sie gepackt.
Geschmückt ist ihr Kleid
    mit juwelgrünen Zapfen:
Erwartung empfunden
           ganz unangesagt.
Sie wird, bis ihr Glück kommt,
        hier ausharren tapfer:
Kein Sturmwind
    ihr Herz
     zu erschüttern vermag.
…Der Glaube der Erle
       manch Seele berührt:
An Tränen erinnern
     die fallenden Blätter.
Und einsam sie steht
   dort am Ufer und friert.
Doch hofft sie und wartet
       auf besseres Wetter.

1985