Benachteiligte Kinder

Nach Hause eilen alle Kinder
                 wieder nach dem Spiele:
Dort wartet Mutti, ihre gute, liebe,
         wo unter den so weichen Flügeln
der mütterlichen Herzenswärme
die Kinder sich geborgen,
         umsorgt und glücklich fühlen…
Auch Jette biegt in ihre Gasse ein.
Sie wartet sehnlich,
               hört nicht auf zu hoffen:
‚Vielleicht ist Mutti da schon…‘
                          Doch betroffen
kehrt Jette um und geht ins Kinderheim.
‚Wie schön es wäre‘,
                träumt die kleine Jette,
‚wenn alle Kinder gute Eltern hätten!..‘
Sie selber kam
           kaum sechs, ins Kinderheim…
In ihren kurzen sieben Lebensjahren
hat sie so manches Unheil schon erfahren
und oft im stillen bitterlich geweint…
Wer könnte, sagt mir,
                  Jettes Tränen stillen?
Wer könnte diesen ihren Traum erfüllen?
So sagt mir, welches Herz?
                    In welcher Brust?
Im zarten Alter
          ist das Kind allein geblieben,
hat Eltern zwar,
doch weiß es nichts von Elternliebe…
Ein schwerer, unersetzlicher Verlust!
Die Eltern, sittlich eben ganz verkommen
durch jenes Gift,
        das ihnen den Verstand genommen,
sind willenlos,
     was kraß verrät ihr stumpfer Blick:
Sie haben jahrelang
      blauvioletten Fuselwein getrunken,
Und aus dem Sumpf
          gibt’s kaum noch ein Zurück…
Das Leben wird –
          wer träumt da nicht
                   von Wohl und Glück! –
                vom neuen Tag verändert,
doch vieles ist bis jetzt
                        noch unvollendet
im Wandel unserer bewegten Zeit.
Erzwungen werden muß auch eine Wende
im Willen und Gewissen,
           im Geist so mancher Menschen,
daß vollends siegt
               die wahre Menschlichkeit.

1985