Ums Herz ist mir so weh.
Ob dieses Weh vergeht?…
Wenn uns ein Dichter aus der BRD
willkommen heißt in seinem Lande
und dennoch rät, nicht auszuwandern,
erst zu bedenken diesen Schritt,
uns rät zu bleiben, wo wir sind,
so kann ich ihn gewiß
verstehn:
Er meint es gut mit uns…
Es ist auch unser Wunsch,
der Wunsch der meisten
Wolgadeutschen,
das Heimatland nicht zu verlassen,
zu bleiben, wo daheim wir sind,
doch ganz daheim am Wolgastrand…
Doch unser Schicksal,
unsere Probleme, unsre Lage –
so will mir scheinen – kennt
der Dichter nur vom Hörensagen…
Und dennoch hat er recht.
Ja, ganz bestimmt:
Den größten Reichtum, den es gibt, –
die Heimat, wo man aufgewachsen,
mit der man Freud und Leid geteilt, –
o diesen Reichtum
darf man nicht verpassen.
Und immer wieder Schmerz…
Mir ist so weh ums Herz…
Denn: Wenn ein hoher Funktionär
aus Wolgograd verlangt
(Es fiel mir schwer,
den Redeschwall zu lesen!),
die Wolgadeutschen
sollten bleiben
wo sie heute
sind –
na, ganz verständlich! -:
in Kasachstan
und Sibirien, wohin
man sie gewaltsam ausgesiedelt
vor vielen Jahren,
weil hier…
weil hier halt nötig wären
der Deutschen arbeitsame Hände,
so kann ich – absolut! –
ihn nicht verstehen.
Das heißt so viel, na ja, so viel
wie: Na, ihr Deutschen, bleibt
für alle Zeit,
wohin euch Stalin einst vertrieben…
Wofür?
Für welches sittliche Vergehen?
Für welche Schuld?
(Die es ja nie gegeben!..)
Die Ungerechtigkeit soll fortbestehen,
solang die einst Verfemten
und ihre Erben leben?..
Das Böse und das Gute…
Mir ist so weh zumute…
Die Muttersprache, Traditionen
und unsere Kultur,
das nationale Selbstgefühl,
die immer mehr und mehr versiegen,
und unser Recht, dort an der Wolga,
in der kleinen Heimat
wiederum zu wohnen,
und dort zu wirken und zu weben
zum Wohle aller, die dort leben, –
das alles geht den klugen Mann
auch heute,
in der Zeit der Umgestaltung,
der Demokratisierung
allem Anschein nach nichts an…
Die Willkür kann
und darf nicht ewig währen.
Soll die Gerechtigkeit
im Lande triumphieren,
dann auch für uns –
die wolgadeutschen Spätheimkehrer!
1989
