Wieder und wieder vertiefe
ich mich ind die Sphären
der quälenden Zweifel,
die oft mich umgeben
wie warnende Wolkengebilde,
wie feuchtkalte Nebel,
und schleppe und schleppe
mich langsam dahin
auf dem steinigen Wege
der Ungewißheit
und der Fragwürdigleit,
worin, ach, worin
denn der alles umfassende Sinn
der Erwartugn bestünde,
und kann es,
und kann´s nicht begreifen:
Bin ich verwelkendes Gras?
Bin ich ein knorriger Baum?
***
Ist es ein Zustand
des Harrens und Hoffens,
in dem sich die Bäume
und Sträucher und Gräser befinden?
Streben sie denn nur danach,
um zu grünen und blüen
und Früchte zu tragen?
Sind sie betört und bestrickt
von den Märchen und Sagen,
die ihnen die lustige Winde
zur Frühlings- und Sommerszeit
lebens- und farbenfroh dichten?
Ist es ihr einziger Traum,
sich am strahlenden Licht
der Wiedergeburt zu erquicken?
Ob sie vor Frohsinn und Freude
erprießen und zweigen?
Ob sie vor Wehmut und Leid
sich im frostigen Herbst
bis zum Erdboden neigen?
***
Preisen die zirpenden Halme
der grübelnden Gräser
den scheidenden Sommer
mit all seinen singenden Farben,
da froh sie gegrünt und geblüht,
und die tröstende Stimme
des Glaubens vernommen,
alles sei licht
wie die lachende Sonne
am heiteren Morgen,
alles sei hehr und erhaben,
alles sei schön auf der Welt,
wenn man dem Himmel,
dem blauen, vertraut,
wenn man auf Hoffnung
und Zuversicht baut?
***
Komme der Herbst
dann mit reißenden Stürmen,
mit Regen und Nebel und Kälte,
mit salzigen, bitteren Tränen,
müsse, ach, müsse man Abschied
vom Spätsommer nehmen,
müsse man langsam verwelken,
damit das Vertrauen
im kommenden Frühling
der hohen Gefühle
aufs neue am Himmelszelt blaut.
***
Laßt mir die nagenden Zweifel,
laßt mir die drückenden Sorgen,
lasst mir die sanftblauen Träume,
und wenn ich auch längst
wie das trockene Gras
und die knorrigen Wurzeln,
die Äste und Zweige
und rostige Blätter
zusammengepresst
und zum Teil schon versteinert!
All ihre Freude und Wonne
und all ihre Sehnsüchte
lasset mich teilen
mit ihnen, die einsmals
gestillt meine Leiden
mit ihrem erquickenden Grün!
Sind wir doch Kinder
der Erde und Sonne
und eilenden Zeit
und zu allem bereit.
***
Doch laßt mich zusammen
mit ihnen ein Stündchen,
ein kurzes, noch weilen
und beten und bitten und leiden
für all meine Sünden,
die blind ich vor Angst
oder Übermut manchmal begangen,
um hier einen Augenblick
noch zu genießen –
das Grünen und Sprießen,
das Wirken und Weben
und ewige zügige Streben,
das Kommen und Gehen,
das Blühn und Verwehen
allhier auf dem irdischen Rund –
als Reminiszenz, die auf immer
zusammen mit uns dann verstummt.
***
Laßt uns dann scheiden
in Ruhe und Frieden
und schlafen den ewigen Schlaf –
ob Sonne am Himmel,
ob Sturm oder Regen…
Wenn nur, o wenn nur die herrliche Welt,
wo einst wir gegrünt und geblüht,
wo einst wir gehofft und geliebt,
wo Kummer und Leid
und so manchmal ereilt,
erhalten stets bleibt
und floriert und gedeiht.
***
Und uns, die wir Asche
oder kühlende Schatten
der wanderneden Wolken
am Himmelsdom sind –
in der Unendlichkeit,
die die Ewigkeit heißt
und nimmer verrint,
so laßt und die Fluren
des Mitleids und Mitgefühls
reichlich besprengen
und freigebig düngen.
Und mögen dann wieder und wieder
die innigen Lieder
der grünenden Hoffnung
für alle und alles erklingen!
1988
