Portrait von Hermann Arnhold

(03.10.1921-03.05.1991)

Hermann Arnhold wurde am 3. Oktober 1921 im Dorf Schaffhausen (ehem. ASSRdWD) an der Wolga geboren.

  • 1941 das Abitur in Balzer.
  • Im September 1941 Deportation nach Sibirien in die Altai-Region.
  • Bis Ende 1946 in den Arbeitslagern (Trudarmee) an der Kama im Ural.
  • 1948 bis 1962 Lehrer in der Region Altai.
  • 1956 bis 1961 Fernstudium am Fremdspracheninstitut in Alma-Ata.
  • 1963 bis 1978 Lehrer und Oberlehrer am selben Institut.
  • 1978 Promotion in Philologie – Spezialgebiet: Lexikologie und Geschichte der deutschen Sprache.
  • 1978 bis 1986 Lehrstuhlinhaber und Dozent an der Universität Karaganda.
  • Seit 1986 im Ruhestand, gestorben am 3. Mai 1991.

Literarische Veroffentlichungen seit Mitte der 50-er Jahre in der russlanddeutschen Tagespresse. In der Periodika wurden mehr als 1.000 Gedichte veroffentlicht.

„Denn Freud und Leid hab ich geteilt mit MEINER Zeit“


Geburt und Tod:
Der Anfang und das Ende.
Dazwischen liegt
die Strecke
MENSCHENLEBEN.
Der Pfad ist schmal.
Und steinig das Gelände.
Und kurz die Zeit,
die einmal nur gegeben.

Wie war diese Strecke für meinen Vater, wie war sie für alle Deutschen in Russland? Das bittere Los seines Volkes blieb auch meinem Vater, Hermann Arnhold, nicht erspart. Geboren wurde er in Schaffhausen am Wolgaufer im Hungerjahr 1921. Wie seine Familie damals diese Not überstanden hat, kann man sich nur zu wundern. Das war eine tüchtige Bauernfamilie, die gewohnt war, hart zu arbeiten und sparsam zu leben. Das hat sie wahrscheinlich gerettet. Und dabei hatten sie eine „traute Heimat“. Die ihnen half, allen Schwierigkeiten zu widerstehen. Hier stand seine Wiege, hier ging er zur Schule, hier kam zu ihm seine erste Liebe. Hier an der Wolga war seine Heimat, die Heimat, der er beraubt wurde. Die Heimat, wonach sich mein Vater später sein Leben lang sehnte, wohin es ihn zog, wohin er hoffte, doch einmal zurückkehren zu dürfen.

Aber 1941 im September kam die Verbannung nach Sibirien, dann 1942 die Lager der Trudarmee im Ural, die zwangsweise Umsiedlung nach Sibirien. Lange Jahre war es ihm nicht gegönnt, seine Lebenspläne und Hoffnungen zu verwirklichen. Erst mit 40 Jahren – die Hochschulbildung, mit 55 – die Promotion. Kindern und Erwachsenen verhalf er, ihre Muttersprache zu bewahren, er lehrte sie, gütig, menschlich und ehrlich zu sein, entwickelte bei ihnen den Sinn für das Schöne und das System der menschlichen Werte. Und das nicht nur in seiner pädagogischen Tätigkeit, sondern auch als russlanddeutscher Dichter.

Sein Leben war ein aufopferndes Dienen seinem Volke. In den Gedichten meines Vaters widerspiegelt sich sein ganzes Leben, aber auch das Leben der Deutschen in Russland, dessen Sohn er war. Alles, was diesem Volk zugestoßen war, musste auch mein Vater durchmachen. Keine einzige Familie blieb vor Verfolgungen, Diskriminierungen, Entrechtungen verschont. Wie Sand wurden einst die 2 Millionen Deutschen zerstreut, damit sie sich als nationale Einheit auflösen, ihre nationale Identität einbüßen. Aber davor hatten die Deutschen gerader Angst, Angst, die tausendjährige Kultur und die deutsche Sprache zu verlieren. Sie wollten doch als Deutsche weiter leben und als Deutsche ihre Kinder erziehen. In seinem Poem „Wir sind nicht Staub im Wind“ schrieb mein Vater:

So bin ich nun einmal - ein Deutscher
Und muss es (und will es!) auch bleiben!

Tief bewegte ihn die Ungerechtigkeit, die den Russlanddeutschen gegenüber ausgeübt wurde. Deshalb klingen in seinen Gedichten so oft Zorn und Trostlosigkeit, Verzweiflung und Schmerz. Aber auch die Hoffnung, trotz allem. Der kommende Morgen soll doch endlich allen Menschen mehr Glück und Freude bringen, denn „der Mensch ist bestimmt glücklich auf Erde zu leben“. Und mit dieser Hoffnung „bis zum Ende“ lebte auch mein Vater, Hermann Arnhold.

Eine Vielfältigkeit der Themen ist im Schaffen meines Vaters zu finden: Liebe und Freundschaft; der Glaube an das Gute und das Schöne; der Sieg des Guten über das Böse; der Glaube an ein menschenwürdiges Morgen; das Verhalten zu Natur und Zeit; das Pflichtgefühl vor den kommenden Generationen; der tragische Schicksalsweg der Wolgadeutschen; die Liebe zur Heimat und die Trauer um die verlorene Heimat.

Wilma Arnhold

Träume in hauchzartem Schmelz

В чарующем мире мечты

Träume in hauchzartem Schmelz

Dieser Gedichtband ist eine Auswahl von lyrischen Versen, in denen sich alle Facetten des menschlichen Lebens widerspiegeln. Feinfühligkeit, Lebensnähe und Tiefgründigkeit prägen seine Gedichte, der Leser erlebt gedankenreiche und formvollendete Poesie. Die Gefühls- und Gedankenlyrik lag dem Autor immer am nächsten. Der Dichter wurde nicht umsonst als „feinbesaiteter Lyriker“ charakterisiert. Ihm gelingt es, die zärtlichen Gefühle in poetisch-anmutiger Form zum Ausdruck zu bringen.Alle Nachdichtungen des Buches sind von Tatjana Bassalajewa, deren Übersetzungen vom Autor hoch geschätzt wurden, „weil sie der Form und dem Inhalte nach dem Original sehr nahe sind“. Nehmen Sie das Buch in die Hand, schlagen Sie es auf und genießen Sie die bildhafte Sprache, die Vollkommenheit der Form, den tiefen Sinn seiner Gedichte

Das Buch (176 Seiten, Paperback) wurde im Verlag Books on Demand herausgegeben. Sie können es hier direkt bestellen:

Bis zum Ende

Hoffe, wenn der Lenz vorüber
und der Flieder nicht mehr blüht;
hoffe, wenn die stille Liebe
schon vor Ungeduld erglüht.

Hoffe, wenn der schöne Sommer
seine Lieder nicht mehr singt;
hoffe, wenn der Herbst verronnen,
fern sein letzter Klang verklingt.

Hoffe, wenn die Wintertage
oftmals trübe, rau und kalt;
hoffe, wenn die Jahre klagen,
wenn du alt wirst mit Gewalt.

Hoffe, wenn du auch betroffen
suchst nach dem verwehten Weg;
hoffe - stets, mein Herz, o hoffe,
bis die letzte Stunde schlägt.

До последнего мгновения

Если вдруг сирень завянет,
Отзвучит аккорд весны,
От тоски любовь устанет, -
Ты надейся, верь и жди.

Отгорят все краски лета,
И умолкнут соловьи,
Примет осень эстафету, -
Ты надейся, верь и жди.

Песня осени затихнет,
Отшумят в саду дожди,
Глубже в сердце грусть проникнет, -
Ты надейся, верь и жди.

Если всё заледенеет,
Станет лютым день зимы,
Если годы одолеют, -
Ты надейся, верь и жди.

Затеряешься в сомненьях,
Заметёт твои пути, -
До последнего мгновения
Ты надейся, верь и жди.

Warme Farben

Warum ist dein Blick denn so trübe?
Willst wieder vor Wehmut vergehn?
Es ist uns der Herbst noch geblieben -
Mit Farben, so warm und so schön!

Gewiss hast du Recht: Es oktobert!
Doch sind wir wie damals zu zweit.
Das leuchtende Steppenzinober
auch heute dein Auge erfreut.

Die herbstlichen Farben erinnern
dich wieder an unseren Mai,
ganz leise sie singen und klingen:
Es ist noch nicht alles vorbei!

Das Ocker der Freilichtgemälde
bewegt noch wie einst dein Gemüt.
Das Scharlach der Wälder und Felder
wie Abendrot langsam verglüht.

Die seidene Bläue des Himmels
umhüllt deinen Traum auch im Herbst.
Die Welt deiner Sehnsüchte schimmert,
mit Zuversichtsperlen besternt...

Solang deine Hoffnungsgefilde
noch grün- und orangegefärbt,
umsorgt dich mit Wärme und Milde
wie früher der köstliche Herbst.

Тёплые краски

Печалится глаз твоих просинь.
В ней след от гнетущей тоски...
Напрасно: поёт ещё осень,
горят её кисти мазки.

Права ты, она уж в разгаре.
Но мы неразлучны с тобой.
И степи совсем не устали
одаривать нас желтизной.

Напомнят осенние звуки
о майских бушующих днях.
Они не сулят нам разлуки,
становятся песней в мечтах.

И сердце твоё примечает
одетые в охру сады.
Багрянец его потрясает,
как отблеск вечерней звезды.

Синеющий шёлк небосвода
увидишь в созвездиях ты.
Поверь мне: в любую погоду
прекрасны и ярки мечты.

Пока в восхищении будет
душа от осенних одежд,
тепла и добра не убудет
в зелёных просторах надежд.

Der Mensch und seine Zeit

Geburt und Tod:
Der Anfang und das Ende.
Dazwischen liegt
die Strecke MENSCHENLEBEN.
Der Pfad ist schmal.
Und steinig das Gelände.
Und kurz die Zeit,
die einmal nur gegeben.

Человек и его судьба

Рождение и смерть.
Всего два кратких слова.
А между ними - жизнь,
надежды и мечты.
И путь её тернист:
то спуск, то взлёты снова.
И не свернёт никто
с тропы своей судьбы.

Zeiten fließen ineinander: Gesammelte Werke Band I

Zeiten fließen ineinander: Gesammelte Werke Band I

Der Band I der gesammelten Werke das sind lyrische, epische und publizistische Verse, die die Vielfältigkeit der Themen darstellen: Liebe und Freundschaft, der Glaube an das Gute und das Schöne, der Sieg des Guten über das Böse, das Verhalten zu Natur und Zeit, das Pflichtgefühl vor den kommenden Generationen, der tragische Weg der Wolga-deutschen, die Liebe zur Heimat und die Trauer um die verlorene Heimat. Der Autor versteht es, die zärtlichsten Gefühle in poetisch-anmutiger Form zum Ausdruck zu bringen.

Das Buch (440 Seiten, Hardcover) wurde im Verlag Books on Demand herausgegeben. Sie können es hier direkt bestellen:

Es lohnt sich zu leben!

Auch wenn der Himmel manchmal trüb,
so leben, träumen wir und hoffen...
Die Hoffnung ist ein Wiesengrund,
wo viele bunte Blumen blühen,
und wenn die Sehnsucht dich ergreift,
eilst du ins Wiesental hinunter
und suchst nach jenem Gnadenort,
wo jene Blume blühen müsste -
die einzige allein ringsum -,
die deine Leiden lindern könnte...

Du suchst so lang, wie du gehofft,
doch kannst die Blume du nicht finden
und bist enttäuscht wie nie zuvor...
Und dann geschieht ein Blumenwunder:
Ein kleines blaues Blümchen grüßt
(das früher du noch nie gesehen
und deinem Herzen unbekannt)
bescheiden dich und leicht benommen.
Mit zarten Blütendolden winkt‘s
dir zu und heißt dich froh willkommen...

Du drückst das Blümchen an die Brust,
schöpfst neuen Mut in stiller Hoffnung.
Und ungestüme Lebenslust
und Lebensfreude wieder knospen.
Es wird ums Herz dir wieder leicht,
und ferne Weiten wieder locken,
und neue Blütenträume reifen,
und neue Sehnsüchte ergreifen
dich wieder wie vor Jahr und Tag:
Die Welt ist schön und hoffnungsreich!

Lass dich umarmen!

Blaue Nacht mit blauen Sternen,
blauem Himmelszelt.
Anemonenblaue Fernen,
wenn der Tag sich hellt.

Sacht die Nebel blau zerfließen.
Sonnenheller Tag.
Fliederblau die Wege grüßen,
froh und unverzagt.

Ach, wie deine Augen blinken
blau zu dieser Stund!
Lass den blauen Blick mich trinken -
und ich werd‘ gesund!

Blauer Himmel, blaue Räume,
licht und ungetrübt.
Blaue Sehnsucht, blaue Träume...
Du, mein blaues Lied!

Augenspiel in blauen Farben,
blau bis an den Rand!
Komm und lass dich heiß umarmen,
blaues Märchenland!



Die richtige Seite

Er hätte ein Buch,
dort stünde geschrieben,
es gäbe noch Liebe,
die nimmer vergeht?..
So blättre im Buch
seiner Liebe und such.
Vielleicht hat es Sinn,
und du findest darin
die richtige Seite.

Ein Bündel warmer Morgenstrahlen

Für meinen Vater (1885-1985)
in memoriam

Du klingst als Widerstreit der Winde,
als Widerhall der Ewigkeit,
geboren einst, um zu ergründen,
was Blühen-und-Verglühen heißt.

Du blinkst als Tröpfchen klares Wasser.
Verdunstet von der Sonnenglut,
willst du als Wölkchen glücklich machen
den Wanderer, der Schatten sucht.

Du gehst als Sonnenregen nieder -
ein Schlückchen für ein Hälmchen nur:
Das Gräschen badet in der Kühle
und dankt der gütigen Natur.

Du hoffst als Klümpchen Humuserde,
vom Lauf der Zeit sacht angehäuft,
dass hier dereinst ergrünen werde
die Saat des Glaubens gnadenreich.

Du glänzt als Sandkorn dort am Strande,
vom Strom des Lebens angeschwemmt.
Die Zeit hat dich in Sand verwandelt,
damit der Tod dich nie erkennt...

Als Bündel warmer Morgenstrahlen,
als Hoffnungskorn dort auf dem Feld
wird dich der Lebensdrang bewahren
im Zeitenwandel dieser Welt.

Der Mensch und seine Zeit: Gesammelte Werke Band II

Der Mensch und seine Zeit: Gesammelte Werke Band II

In dem Band II der gesammelten Werke ist eine Auswahl von Zyklen, Poemen, Liedern des Dichters aufgenommen worden. Die Sammlung schließt mit Nachdichtungen aus dem Russischen ab. Es sind lyrische und epische Verse, in denen der Autor seine Überlegungen und seinen Standpunkt zu verschiedenen Problemen des menschlichen Lebens künstlerisch gestaltet. Feinfühligkeit, Lebensnähe und Tiefgründlichkeit prägen seine Gedichte, der Leser erlebt gedankenreiche und formvollendete Poesie.

In einer ganzen Reihe von Gedichten und Poemen macht der Autor den Versuch, die komplizierte Geschichte, den schweren, oft tragischen Schicksalsweg der Wolgadeutschen nach ihrer Deportation und ihre heutigen Probleme und Hoffnungen künstlerisch zu schildern.

Das Buch (400 Seiten, Hardcover) wurde im Verlag Books on Demand herausgegeben. Sie können es hier direkt bestellen:

Geh ich durch die Straßen

Schneeverträumte Gipfel
hoch im Alatau,
Pyramidenpappeln,
leises Himmelblau.

Refrain:

Geh ich durch die Straßen,
grüßt von fern und nah
mich das lichte Morgen
von Alma-Ata.

Blütenschnee und Blumen
sät der Sonnenschein,
und in allen Herzen
zieht der Frühling ein.

Refrain

Heiter klingen Lieder,
üppig blüht der Mai.
Ich bin voller Freude:
Du bist auch dabei!

Refrain

Stadt erfüllter Träume,
Stadt der Zuversicht!
Hier hab ich gefunden
dich, mein Sonnenlicht!

Refrain

Wir sind nicht Staub im Wind

1.

Eine jede Geschichte hat ihre Bewandtnis
hat ihre Facetten und Ecken und Kanten.
Und oft wird daran –
vielleicht gar jahrhundertelang –
noch gefeilt und geschliffen.
Nur ein paar lohnende, tüchtige Strecken
meines langen Weges seien herausgegriffen.

Mein Schicksal beileibe nicht klagt.
Man hatte mich bloß nicht gefragt,
ob wirklich mein Ich es so wollte.
(Schon allein, dass ich bin,
verpflichtet mich, ewig zu danken!).
So bin ich nun einmal – ein Deutscher
und muss es (und will es!) auch bleiben
und denke, erfüllt von berechtigtem Stolze,
dabei an die Urbedeutung
des kleinen Wörtchens „deutsch“ –
„dem Volke eigen“ –
und seine Variante
„Deutsch“ –
„die Sprache des Volkes“ ...

... Ich wurde in Russland,
an der Wolga, der großen, geboren –
vor etwa zweihundertzwanzig Jahren
in einem nassen und nebligen Herbst.
Und meine Hebamme war –
was ich damals nicht wusste –
die Prinzessin Sophie Friederike Auguste
von Anhalt-Zerbst,
Katharina die Zweite,
die rührige russische Zarin. ...

Freude und Leid
      Parallelen

In Tränen zerfließen die Zeilen:
Warum soll die Wehmut nur schweigen?
Es quälen sich unsere Seelen...
Sie zweifeln und harren und leiden.
Sie möchten einander begegnen,
zusammen, vereint sein im Leben...
Doch sind sie wie zwei Parallelen,
die sich im Unendlichen schneiden.


      Lodernde Glut

Die Liebe ist schüchtern.
Die Liebe ist blind.
Die Liebe ist trunken.
Die Liebe ist wild.
Ist prickelnde Spannung.
Ist stürmisches Blut.
Ist Feuer und Flamme.
Ist lodernde Glut.


      Unerwidert

Gelbe Blätter.
Welke Gräser.
Regenwetter.
Unaufhörlich.
Durch das Herbstlaub
stapft die Liebe.
Ungehört.
Und unerwidert.


      Wein dich aus!

Willst dein Kreuz im Stillen tragen?
Bringt das Schweigen Trost?
Klage, stille Liebe, klage,
wenn dein Leid zu groß.
Drückt dich nieder die Verzweiflung,
weine, wein dich aus!
Und dein Stern wird wieder leuchten
über deinem Haus.

Gedanken und Gefühle

Gedanken und Gefühle

Das Buch erschien im Verlag „Polygraphie“ in Karaganda 1993. Das war der erste Versuch, einen Teil aus dem Nachlass des Dichters zusammenzufassen und als gesamtes Werk herauszugeben. „Gedanken und Gefühle“, so heißt eines der Zyklen im Buch, diese Benennung wurde aber nicht umsonst zum Titel gewählt. Denn alle Gedichte sind Nachdenken des Dichters, seine Überlegungen zu verschiedensten Problemen, seine Gefühle, seine Impressionen. Die Gedichtsammlung schließt ab mit einem der bedeutendsten Werke des Autors dem Poem „Wir sind nicht Staub im Wind“. Geschrieben im März 1988, wird darin die ganze jahrhundertalte Geschichte der Russlanddeutschen gezeigt.

Hinaus in die Weiten

Ich dichte sie nicht - meine Verse.

Das Leben, das bunte, sie reimt.

Wenn die Seele laut lacht. Oder weint.

Wenn vor Freude sie wieder mal närrisch.

Wenn die Sonne ihr hoffnungsvoll scheint.

Wenn Gefühle der Angst sie beherrschen.

Wenn der Krampf ihr da sitzt in der Kehle.

Wenn sie Wehmut und Traurigkeit quälen.

Wenn die Wunschträume ausweglos schweigen.

Wenn die Freunde, die besten, verscheiden.

Oh, dann klopfen sie an - meine Zeilen.


Und sie möchten in fliegender Eile
hinaus, ja hinaus in die Weiten,
um das Wesen des Seins zu begreifen,
um den Hut vor den Wiesen zu ziehen,
die da grünen und farbenfroh blühen,
vor den Feldern, die grüngolden prangen,
vor den Wäldern, die sonnengrün flammen...
Und befreit, geht`s hinaus in die Welt,
die da tausende Fragen noch stellt.

Und weiter hinaus in die Weiten
des Lebens, um niederzuknien
vor der Schwäche, die tief man beleidigt,
vor der Stärke, die dennoch gescheitert,
vor der Qual, die in Grau ganz gekleidet,
vor der Unschuld, die schmachtet und leidet,
um zu beten und bitten und bangen,
damit sie sich wieder ermahnen...
Denn: Wenn auch so vieles nicht stimmt,
hat das Leben wohl doch seinen Sinn.

Hoffnung

Vergib, verzeih, verzeihe mir:
Was kann, was kann ich denn dagegen?
Ich bin verrückt nach dir, nach dir,
o bittersüßes, herbes Leben!

Gelitten hab ich und gehofft
und ließ mir Lasten auferlegen.
Geholfen haben mir so oft
mein Stern, mein Lied, mein Sonnenregen...

Ich weiß, ich weiß: Mein guter Stern
verblasst dereinst am Himmelsbogen.
Dann wird mein Lied von Herzen gern
für mich das Blau vom Himmel holen.

Ich weiß, ich weiß: Mein Lied verklingt.
Und wenn der letzte Klang verklungen,
die Seele dennoch leise singt,
weil du, mein Lied, das Leid bezwungen.

Und wenn mein Stern auch nicht mehr strahlt,
mein Lied verstummt auf fernen Stegen,
und tiefer Gram am Herzen nagt,
so bleibt mir noch mein Sonnenregen.

Ein Wolkenfeld mich herzlich grüßt.
Ich eile, tief mich zu verneigen.
Hell-trüb der Sonnenregen spielt
ein Sonnenlied auf seiner Geige.

In jedem Tröpfchen blitzt und blinkt
die Zuversicht - mein Sonnenregen:
Die Glut der Hoffnung wieder glimmt...
Es lohnt, es lohnt sich noch zu leben!

Es wartet der kommende Morgen

Vorbei sind die Mühen des Tages.
Die Strecke war wieder nicht leicht.
Besorgt überreicht nun der Abend
der Nacht alle Mildtätigkeit…

Die Müdigkeit sinkt in die Kissen
des Dunkels, das mollig und weich.
Und Wollen und Sollen und Müssen
verlieren an Schärfe sogleich.

Die Nacht breitet aus ihre Flügel –
behutsam und leise und sanft:
Schlaf ein, schlafe ein, wenn du müde
und längst dich nach Ruhe velangt.

Es wartet der kommende Morgen –
ob strahlend, ob fahl oder trüb –
mit Freuden und Kummer und Sorgen,
dieґs stets auf dem Lebensweg gibt.



Schleierkraut

Ohne heimatliche Fluren,
ohne Ältervaterspuren,
ohne die vertrauten Lieder,
die die Mutter an der Wiege
dir vor Jahr und Tag gesungen,
ohne Volkskunst-Zauberbrunnen,
ohne deinen Mutterlaut –
gleichst
du wohl dem Schleierkraut,
das der Wind von Ort zu Ort
treibt, wenn`s hoffnungslos verdorrt.

Parade der Fragen

Parade der Fragen

Herausgegeben im Verlag „Kasachstan“ in Alma-Ata 1990. Die Gedichte aus dieser Sammlung sind für Schüler der Anfangsstufe bestimmt. In den Versen werden kleinere und größere Fragen aufgeworfen, die die Kinder interessieren und bewegen. Einen besonderen Platz nimmt das Poem „Gabriele“ ein, in dem das allmähliche Erwachsenwerden der Kinder dargestellt wird.

Das Schwalbenlied

"Von welcher Farbe
sind die Schwalben?
Sind schwarz sie? Stahlblau? Oder grau?"
fragt Onkel Lutz den kleinen Hans.
Der denkt erst nach mal vorsichtshalber,
erwähnt sogar den Gabelschwanz
und sagt dann schlau:
"Na, schwalbenblau!"

Nun fragt klein Hänschen Onkel Lutz:
"Und, sage mir, wie ist ihr Schnabel?
Recht lang? Gebogen?
Oder kurz?"
Da kratzt sich Onkel Ludwig aber
(Er weiß es nicht? Er zweifelt? Stutzt?):
"Wahrschein...
wahrscheinlich nicht gegabelt!"

Sie lachen beide und umarmen
einander froh: "Du hast gewonnen!
Hast nicht verloren, nicht verspielt!"
Und die grazilen dunklen Schwalben,
fast rötlich
in der Abendsonne,-
sie zwitschern fröhlich
auf den Drähten
ihr Schwalbenlied
vom schönen Sommer ...

Im Winter

Ihr kennt ja den strengen Dezember:
Er ist ein erfahrener Mann,
steht wachsam und brav an der Grenze
des Jahres, solang er nur kann.
Und wenn auch die Schneestürme wüten,
bedeutet das keine Gefahr:
Vor verheerender Dürre behütet
er sorgsam das kommende Jahr.

Der Januar macht es noch besser:
Er schüttelt den Schnee unablässig
aus jedwedem Wölkchen heraus
und baut seine Märchenschlösser
geschäftig und selbstvergessen
im Windschatten tagelang auf.
Er lächelt und schnalzt mit der Zunge,
wenn die Kinder vor Freude sich tummeln
im lockeren, flaumigen Schnee.
Es macht sie der gütige Winter
noch rotbäckiger und gesünder...
So weht, liebe Schneeflöckchen, weht!

Der Februar meint es schon wärmer.
Und bald sagt der Winter ade.
Die Spatzen beginnen zu lärmen
und plustern sich lustig im Schnee...
Und siehe, es summen ganz leise -
wo alles noch knietief verschneit...
die Felder und Wälder schon Weisen
vom Frühling, der gar nicht mehr weit.

Er fasst den Aal beim Schwanze

Der Hans ist ja eifrig und fleißig,
nur eines ihn immerfort stört:
"Das kann ich, das kenn ich,
das weiß ich!" -
doch macht er es ständig verkehrt.

Er legt sich am Morgen
gern schlafen,
steht munter am Abend dann auf,
nimmt eilig den Rechen und Spaten
und scheuert die Dielen im Haus.

Im Winter - da sammelt er Pilze,
im Sommer - da läuft er schön Schi.
Die Obstsuppe liebt er zu filtern
und isst mit der Gabel die Brüh.

Wenn`s kalt ist,
dann trägt er Sandalen,
wenn`s heiß ist,
sind Stiefel ihm lieb.
Als Köder verwendet er ... Aale,
bringt Wasser nach Hause im Sieb.

Er lobt seinen neuen Computer,
womit er Diktate gern schreibt.
In Mathe kommt Hans mit dem Duden.
womit er die Brüche nun teilt ...

Man könnte noch manches beschreiben,
was Hänschen beginnt und vollbringt.
Doch Hans muss ja selber entscheiden,
damit alles stimmt ... und gelingt.

Von Geschlecht zu Geschlecht

Von Geschlecht zu Geschlecht

Das Lyrikbändchen „Von Geschlecht zu Geschlecht“ war der Erstling des Dichters. Es erschien im Verlag „Kasachstan“ in Alma-Ata und enthält 64 Gedichte, die in den Jahren 1975-1987 geschrieben wurden. Eine Reihe von einprägsamen Versen sind der Liebe, diesem unerschöpflichen Thema aller Zeiten und Völker, gewidmet. Für die Liebhaber von Humor gibt es Bilder aus der Alltagsmosaik. Auch das Thema „Mensch und Natur“ ist in diesem Strauß nicht in Vergangenheit geraten. Schon in dem ersten Büchlein zeichnet sich der Autor als Meister des Farbenwortspiels aus. Hier nur eine Kostprobe:

Wetterlage

Müde geht der Tag zur Rüste,
froh, dass er sein Werk vollbracht;
abendrot verglühend, küsst er
liebevoll die junge Nacht..,

Ach, man möchte gern verschweigen,
dass der Tag sich abgemüht,
denn die Jahre gehn zur Neige
schneller, als ein Tag verglüht.

Gestern noch war schönes Wetter -
hoffnungsvoller Sonnenschein.
Heute treibt der Wind die Blätter,
und es regnet dicht und fein.

Was verspricht die Wetterlage,
wenn man sechzig Jahre alt
und die sonnenhellen Tage
kürzer werden allzubald?

Und wie wird das Wetter weiter?
Wolkig, regnerisch und kalt?
Oder wird es wieder heiter,
wenn des Windes Groll verhallt?

Wenn die Hochs und Tiefs im Leben,
die da kommen und vergehn,
Halt und Hoffnung dir gegeben,
bleibt das Wetter herbstlich schön!

Zweifel

Gefühle und wieder Gefühle...
Empfindung so leicht inspiriert.
Wenn Verse dasselbe erzielen,
ward richtig das Licht reflektiert.

Ich schreibe so manchmal Gedichte.
Da fühlґ ich mich frisch und gesund.
Und wenn ich die meisten vernichte,
dann hat das gewiss seinen Grund.

Ich schufte mit löblichem Eifer
bis spät, bis es draußen schon tagt.
Nur quält mich der ewige Zweifel,
ob wirklich ich etwas gesagt.

Dem Denken und Fühlen der Leser
sich stellen ist heilige Pflicht.
Es gibt keine andere These:
Die Lyrik zum Herzen nur spricht.

Es will mir nur selten gelingen.
Doch wenn mich die Stimmung erreicht,
dann möchtґ ich die Freude umschlingen
als Lehrer und Dichter zugleich.

Ich bin schon mein Leben lang Lehrer.
Als Lehrer ich weiß, was ich kann.
Doch ob sich die Verse bewähren,
die dichtet der zweifelnde Mann?

Die Erde soll immerfort blühn!

Es geht ein Jahrhundert zu Ende.
Ein Augenblick lange nicht weilt:
Er hat keine Zeit, zu verschwenden
die Zeit. Darum eilt er und eilt.

Es geht ein Jahrtausend zu Ende
im Kreislauf der endlosen Zeit.
Es packt schon die Koffer zur Wende.
Und bald ist es reisebereit.

Wir kehren die Straßen und Gassen
und schmücken das irdische Nest:
Wer möchte die Zeit da verpassen -
es naht das Bewillkommnungsfest!

Im Zeitbuch des Jahres Zweitausend
dann tragen am Festtag wir ein:
Gesegnet sei unser Zuhause,
wo Friede und Freude daheim!..

Und Felder und Gärten und Wiesen -
sie werden noch üppiger blühn.
Das Leben, von Sonne durchrieselt,
wird stolz durch mein Vaterland ziehn.

Es geht ein Jahrhundert zu Ende.
Es war uns vertraut und verwandt.
Wir haben mit eigenen Händen
verhütet den wütenden Brand.

Es geht ein Jahrtausend zu Ende...
Bis jetzt die Vernunft nicht erliegt:
Es soll unsre Erde nicht schänden
ein allesvernichtender Krieg!